Börsen-Zeitung: Alternativlos, Kommentar zur Megakapitalerhöhung der Deutschen Bank von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
So flüchtig ist Kapital, namentlich Eigenkapital: Noch Ende 2009 verfügte die Deutsche Bank über ein ungenutztes Polster von 7 Mrd. Euro. Jetzt braucht sie eine Megakapitalerhöhung von rund 10 Mrd. Euro. Allein 7,7 Mrd. Euro erfordern die Mehrheitsübernahme und Konsolidierung der bisher vergleichsweise deutlich unterkapitalisierten Postbank sowie die Wertkorrektur auf die bisherige Beteiligung an dem Retailriesen. Die vermeintlich üppige Kapitalreserve ist zwischenzeitlich unter anderem für die Übernahme von Sal. Oppenheim und Teilen von ABN Amro draufgegangen. Josef Ackermann & Co. sind die neuen Töchter offenbar nicht nur lieb, sondern vor allem auch teuer. Für den strammen Expansionskurs werden die Aktionäre des Branchenprimus entsprechend kräftig zur Ader gelassen.
Dass an der Deutschen Bank - längst auch global - so leicht keiner vorbeikommt, zeigt Deutschlands führender Geldkonzern auch bei der Eigenkapitalbeschaffung. Zentralbankgouverneure und Aufsichtschefs hatten in Basel noch nicht zu ihren Schlussverhandlungen Platz genommen und manche internationalen Konkurrenten wohl noch nicht mal mit dem Rechnen angefangen, da war die Emission des - also auch in dieser Hinsicht - Marktführers fest bei einem Konsortium untergebracht. Hut ab!
"First Mover"
Der große Schluck aus der Kapitalmarktpulle ist zwar nur zum kleineren Teil durch die neuen Eigenkapitalregeln motiviert. An ein rein zufälliges Zusammentreffen der Verabschiedung von Basel III und des Postbank-Übernahmeangebots, mit dem sich die Deutsche bis 2012 hätte Zeit lassen können, sollte man aber auch nicht glauben. Nicht nur nach eigener subjektiver Einschätzung, sondern auch nach den Erwartungen der Aufseher wird die Bankenwelt Hunderte Milliarden Euro an neuem harten Kapital aufnehmen müssen, um den verschärften regulatorischen Anforderungen zu entsprechen. Wer da als Nummer 57 auf seine Anteilseigner zugeht, läuft nicht nur Gefahr, als Spätmerker dazustehen. Die Schlafmützigkeit kann vielmehr auch richtig ins Geld gehen, weil irgendwann der Markt verlaufen sein dürfte und für neue Bankaktien dann im günstigen Fall zumindest höhere Kursabschläge in Kauf zu nehmen sein werden. Bis dahin hat der "First Mover" Deutsche Bank wahrscheinlich die nächsten fünf Akquisitionen abgeschlossen.
Strategisch gibt es an der Übernahme des deutschen "Banken-Aldi" wenig zu deuteln, auch wenn die 6,3 Mrd. Euro für 100% der Anteile, entsprechend 115% des Buchwerts, zumal in Krisenzeiten als sportlicher Preis erscheinen (nebenbei: beim Einstieg der Blauen bei den Blau-Gelben mit knapp 30% vor zwei Jahren, exakt drei Tage vor dem Lehman-Bankrott, hatte sich eine Bewertung von 9,4 Mrd. Euro errechnen lassen).
Preiswert oder auch nicht
Nach einem anderen Bewertungsmaßstab wirkt die Postbank dagegen auf den ersten Blick ausgesprochen preiswert: Jeden ihrer 14 Millionen Kunden lässt sich die Deutsche 450 Euro kosten, nachdem sie 2006, also vor der Krise, beim Kauf der Norisbank 1257 Euro und beim Erwerb der Berliner Bank (mit einer vermögenderen Klientel) sogar 2127 Euro pro Kunde auf den Tisch geblättert hatte. Der zweite Blick zeigt indes, dass gerade bei den Kundenzahlen ein paar Wertberichtigungen abzusetzen sind. Die eigentlich interessante Zahl ist die der Kunden mit dem Ankerprodukt Girokonto. Das sind 4,9 Millionen. Dann kommt man auf 1280 Euro pro Kunde, was nicht mehr so günstig ist. So gesehen relativiert sich auch die Gesamtkundenzahl des neuen Gespanns von 24 Millionen im Inland deutlich. Sparkassen und Kreditgenossen, die mit ihren 50 Millionen bzw. 30 Millionen Kunden freilich auch nicht nur Erstbankverbindungen unterhalten, müssen mithin noch nicht in Ehrfurcht erstarren.
Gleichwohl ist die Transaktion für ein Haus mit nationalem und internationalem Führungsanspruch, um ein in der Politik beliebtes Modewort zu gebrauchen, "alternativlos". Die Postbank ist auf absehbare Zeit die letzte Akquisitionschance, um am allen anderslautenden Klageliedern zum Trotz attraktiven deutschen Retailmarkt auf einen Schlag in eine neue Dimension vorzustoßen. Damit hilft sich die Deutsche Bank vor allem auch insofern selbst, als sie ihr stabiles Standbein (neben dem volatilen Spielbein Investment Banking) deutlich stärkt. Die mittelfristig für den Bereich Privat- und Geschäftskunden (PBC) inklusive Postbank angepeilten Erträge von über 10 Mrd. Euro entsprechen nahezu einer Verdoppelung des entsprechenden Werts von 2009 für die Deutsche Bank allein, das Ergebnisziel von über 3Mrd. Euro vor Steuern (inklusive spätestens 2015 erwarteter Synergien von 1 Mrd. Euro pro Jahr) dem Doppelten der bisherigen Vorgabe für "PBC alt" in 2011. Damit kämen die ertragsstabilen Geschäftsfelder insgesamt in der Erfolgsrechnung schon ziemlich nah an das Investment Banking heran.
Das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25% mag auf der neuen regulatorischen Kapitalbasis zu adjustieren sein. In absoluter Rechnung wird das Ertrags- und Ergebnispotenzial der Deutschen Bank durch den Postbank-Deal spürbar wachsen.
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