Börsen-Zeitung: Scheinheilig, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Bilanzpressekonferenz der Commerzbank
Frankfurt (ots)
Die Commerzbank verzinst die stille Einlage des Bundes nicht, sie zahlt ihren Mitarbeitern 440 Mill. Euro "Boni", und Neukunden bucht sie 50 Euro Begrüßungsgeld aufs Girokonto. Leistungs- und erfolgsabhängige Vergütungen und Startguthaben kommen, wenn man so will, aus Steuergeldern. Das alles ist für manche Konkurrenten lästig, und es mag aus ordnungspolitischer Sicht unbefriedigend sein.
Dennoch ist die politische Debatte darüber ebenso wie manche Kritik von Wettbewerbern in Teilen scheinheilig. Die Commerzbank, die andernfalls vor allem an der politisch gewollten Übernahme der Dresdner Bank zugrunde gegangen wäre, ist 2008/09 mit milliardenschwerer Hilfe der Steuerzahler gerettet worden - wie manche andere Bank. Mal davon abgesehen, dass es für alle Beteiligten und Betroffenen und nicht zuletzt für die öffentliche Hand unterm Strich sicher nicht günstiger geworden wäre, diese Hilfe zu unterlassen: Wenn die Entscheidung für die Stützung einer in Schieflage geratenen Bank nun mal gefallen ist, impliziert das zwangsläufig, dass diese Bank auch um Kunden werben und wettbewerbsfähige, leistungsgerechte Gehälter zahlen muss. Sonst hätte man sie abwickeln und ihr jegliches Neugeschäft verbieten müssen. Nebenbei: Die "Boni" erhalten auch 20000 Tarifangestellte. Dass die Bedienung der stillen Einlage vom HGB-Abschluss abhängt und eine ausgefallene Verzinsung nicht nachzahlbar ist, konnte von Anfang an jeder wissen, der es wissen wollte. So war es mit dem Rettungsfonds Soffin vereinbart, so hat es die EU genehmigt; der Zinsausfall ist gewissermaßen Teil der Staatshilfe, aber als Ausgleich für die daraus resultierende Wettbewerbsverzerrung zahlt die Commerzbank ja einen hohen Preis in Form der ihr von Brüssel verordneten Schrumpfkur.
Wer die Gelben jedoch permanent nur über die Lieblingsthemen stille Einlage, variable Vergütung und Startguthaben wahrnimmt, der handelt die Bank deutlich unter Wert. Martin Blessing & Co. haben 2010 im IFRS-Konzernergebnis einen Swing von 6 Mrd. Euro zurück in die schwarzen Zahlen geschafft - ein Jahr früher als angekündigt. Sie werden 2011 - ebenfalls ein Jahr eher als erwartet - eine erste Rate in Milliardenhöhe an den Bund zurückzahlen. Und sie stellen in Aussicht, der öffentlichen Hand für die ertraglose Zeit des Engagements am Ende immerhin die Refinanzierungskosten zu erstatten. Das darf man auch mal anerkennen.
(Börsen-Zeitung, 24.2.2011)
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