Börsen-Zeitung: GM und der große Wurf, Kommentar zur Restrukturierung bei General Motors, von Bernd Neubacher.
Frankfurt (ots)
Seit Monaten haben Anleger und Analysten von General Motors den großen Wurf gefordert bei der Restrukturierung eines Autoherstellers, der noch immer weltweit die meisten Fahrzeuge verkauft, damit aber immer höhere Verluste einfährt. Um sie anzukündigen, hätte GM einen besseren Zeitpunkt als die gestrige Publikation von Quartalsergebnissen kaum abpassen können: Wann bietet sich schon die Gelegenheit, einen Kurssprung um bis zu 12% auszulösen, nachdem man zum Steinerweichen schlechte Zahlen vorgelegt hat?
Vor allem die Einigung mit der Gewerkschaft UAW auf eine Reduktion der Healthcare-Kosten darf getrost als Durchbruch gewertet werden. Wer mit Hilfe von Mitarbeiterrabatten zunächst den besten Juli- Absatz seit mehr als 25 Jahren einfährt, um nur wenige Wochen später den als hartleibig bekannten Arbeitnehmervertretern eine Kürzung der Pensionsverbindlichkeiten um ein Viertel abzutrotzen, verdient ob seiner Verhandlungskunst Respekt. Darüber hinaus hat GM für ihren großen Wurf weit ausgeholt: Angesichts schwindender Absätze scheint am Abbau zehntausender weiterer Stellen kein Weg vorbeizuführen. Dass der Konzern zudem die Materialkosten im kommenden Jahr um netto 1 Mrd. Dollar senken will, werden Aktionäre gerne hören. Ob dies gelingt, hängt freilich nicht nur vom Sparwillen bei GM, sondern auch vom Stahl- und Energiemarkt ab.
Fest steht: Mit der geplanten Veräußerung eines kontrollierenden Anteils an der Finanztochter GMAC setzt GM ihre Selbstentleibung fort, nachdem in den vergangenen Monaten schon Autokredite über gut 50 Mrd. Dollar, die Mehrheit am gewerblichen Hypothekengeschäft sowie die Beteiligung an Fuji Heavy flüssig gemacht wurden. Ohne das Finanzgeschäft wäre der Verlust im dritten Quartal um 700 Mill. Dollar höher ausgefallen; nicht zuletzt die gestrige Rally der GMAC- Papiere am Bondmarkt wirft ein Licht darauf, welch wertvolles Asset der Autoproduzent da aus seiner Kontrolle entlassen will.
Andernorts werden bei Restrukturierungen erst die Verlustbringer veräußert. GM hält es andersherum. Damit liefert sich die Gesellschaft auf Gedeih und Verderb dem defizitären Autogeschäft aus. Die Aktionäre werden mit Chief Executive Richard Wagoner darauf setzen müssen, dass im Autogeschäft der Turnaround gelingt, bevor das ganze Tafelsilber versetzt ist.
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