Börsen-Zeitung: Thyssen spielt einen Trumpf, Kommentar von Brunfrid Rudnick zur Ankündigung von ThyssenKrupp die kanadische Dofasco übernehmen zu wollen
Frankfurt (ots)
Der Ankündigung des Vorstandes von ThyssenKrupp, aktiv in den Konsolidierungsprozess der Weltstahlindustrie eingreifen zu wollen, hat bis zum 28. November 2005 niemand so recht Glauben schenken wollen. Sollte das Angebot, für 3,5 Mrd. Euro die kanadischen Dofasco zu übernehmen, nicht in einem Bietergefecht mit Arcelor untergehen, würde ThyssenKrupp Steel auf der Weltrangliste vom 10. auf den 6. Platz vorrücken. Größe ist zwar kein Wert an sich. Doch in langfristiger Sicht spielt die Präsenz an den Weltmärkten keine untergeordnete Rolle.
Der Konzentrationsprozess, den Thyssen und Krupp übrigens schon 1999 in Europa in Gang gesetzt haben, wird getrieben durch die Übermacht der Erzlieferanten, die zu dritt ein mächtiges Oligopol bilden, das in der Lage war, in diesem Jahr Preisaufschläge von mehr als 71% durchzusetzen. Die nach wie vor zersplitterte Stahlindustrie sieht sich auf der anderen Seite der Nachfragemacht der Automobilgiganten ausgesetzt. Mehr Nachfrage- und mehr Angebotsmacht lautet deshalb die Parole.
Die Übernahmeofferte von 61,50 kan. Dollar je Aktie, mit der Arcelor um 9,8% überboten wird, mag kein Schnäppchenpreis sein. Das sieht der Kapitalmarkt in seiner ersten Reaktion auch so. Doch ThyssenKrupp kann den Preis mit einer Reihe von Vorteilen begründen. Ganz allgemein wird sich die Wettbewerbsposition mit einem verbreiterten Produktportfolio im Nafta-Markt verbessern, und Dofasco würde zum Nutzen beider zur Technologie und Expertise des Innovationsführers Zugang erhalten.
Obwohl ThyssenKrupp wie Dofasco auf hochwertigen Flachstahl konzentriert sind, gibt es so gut wie keine Überlappungen und damit nicht die Notwendigkeit teurer Restrukturierungsprozesse. Die entstehenden Synergievorteile sind zum Teil in den Preis eingegangen. Der Vorstand hat aber darauf geachtet, dass sich der Konzern selbst Vorteile daraus anrechnen kann.
Das gilt zumal für die Chancen, die sich mit der Dofasco-Erzmine bieten. ThyssenKrupp wird nicht nur die wachsende Nachfragemacht gegenüber dem Erz-Oligopol ausspielen können, sondern kann seine Bezüge künftig aus einer eigenen Erzgrube optimieren. Dofasco ist bei der Versorgung mit dem Rohstoff nicht nur autark, sondern kann die Abhängigkeit des Konzerns von den exorbitant hohen Preisen mildern.
(Börsen-Zeitung, 29.11.2005)
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