Börsen-Zeitung: Chronisch krank, Kommentar von Lisa Schmelzer zur Situation der Luftfahrtbranche am Jahresbeginn
Frankfurt (ots)
Auf den ersten Blick kann die Luftfahrtbranche optimistisch ins neue Jahr starten. Die Sanierungsbemühungen tragen Früchte, die Nachfrage zieht an, und vielerorts werden wieder Gewinne eingeflogen. Selbst in den USA, wo die Airlines in den vergangenen fünf Jahren Verluste von 30 Mrd. Dollar angehäuft haben, machen Analysten ein verbessertes Erlösumfeld aus.
Für Euphorie gibt es dennoch keinen Grund. Alleine die Versäumnisse der Vergangenheit machen aus der Luftfahrtbranche schon einen chronisch kranken Patienten. Weil die langjährige Krise weder in Europa noch in den USA zu einer echten Konsolidierung geführt hat, sind nach wie vor zu viele Kapazitäten am Markt.
Verschärft wird die Lage noch durch neue Wettbewerber. Drohte hier in der Vergangenheit vor allem Gefahr von den Billig-Airlines, lehren mittlerweile zunehmend Unternehmen wie Emirates Lufthansa und Co. das Fürchten. Sie machen sich mehr und mehr auf den lukrativen Langstrecken breit und werden ihr Angebot noch kräftig ausweiten, sobald der neue Super-Airbus A380 ausgeliefert ist. In ihren Heimatländern operieren Airlines wie Emirates mit deutlich niedrigeren Kosten als die Konkurrenz in Europa und den USA, was den Preiskampf verschärft. Bitter könnte das vor allem für die Lufthansa werden, die einen erheblichen Teil ihrer Gewinne aus den Fernostrouten zieht in den ersten neun Monaten 2005 sanken im Verkehrsgebiet Asien/Pazifik bereits die Durchschnittserlöse.
Sorge bereitet allen Fluggesellschaften nach wie vor der hohe Ölpreis. Bei Lufthansa wird damit gerechnet, dass die Treibstoffrechnung 2006 mit 3,2 bis 3,5 Mrd. Euro deutlich höher ausfällt als 2005 (geschätzt: 2,5 Mrd. Euro). Eine umfängliche Treibstoffkostensicherung, wie sie die Airline betreibt, hilft dabei immer weniger aus der Klemme, weil neue Verträge auf dem höheren Preisniveau abgeschlossen werden müssen. Gibt der Ölpreis nach, wären die breit abgesicherten Unternehmen womöglich sogar die Verlierer.
Unter normalen Umständen hätte der hohe Ölpreis zur Folge, dass Airlines wie Alitalia, die schon zuvor in der Bredouille steckten, vom Markt verschwinden. Das aber verhindern staatliche Anteilseigner. Solange Krisen aber weiterhin keinen spürbaren Kapazitätsabbau zur Folge haben, wird die Branche nicht vollständig gesunden können.
(Börsen-Zeitung, 7.1.2006)
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