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Lausitzer Rundschau: Der Atem alter Dokumente Doktorarbeiten aus der Stasi-Hochschule gehören an die Öffentlichkeit

Cottbus (ots)

Geschichte atmet und wird lebendig immer dann, wenn sie aufgearbeitet, diskutiert und bewertet wird. Mit der Forderung nach Überprüfung der Doktorarbeiten früherer Stasi-Funktionäre haben die Grünen ein Thema in die Öffentlichkeit gebracht, das bislang noch nicht besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Zweifellos ein Verdienst. Überprüfung von Doktorarbeiten hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren zahlreiche gegeben. Meist standen prominente Politiker im Fokus. Dem Ex-Minister zu Guttenberg wurde der Doktorgrad 2011 aberkannt. Sein Vergehen: Er schmückte sich mit fremden Federn, gab Denkleistungen anderer Wissenschaftler als eigene aus. Der Vorstoß der Grünen hat einen ganz anderen, nämlich politischen Hintergrund, aber vordergründig geht es auch hier um Minderleistungen. Einige Arbeiten hätten gerade mal das Niveau von Abiturarbeiten, heißt es. Auf gut Deutsch lautet der Vorwurf: "Verdiente" Stasi-Leute bekamen ihren Doktor geschenkt. Ginge es nach den Grünen, würden diese Titel den heutigen Trägern wieder aberkannt. So einfach ist das aber nicht. Akademische Titel aus der DDR sind durch den Einigungsvertrag geschützt. Es wäre fatal, Inhalte dieses Vertrags im Nachhinein infrage zu stellen. Es würde vielleicht auch gar keinen Sinn machen, denn Bewertungssysteme sind der jeweiligen Zeit und den Umständen unterworfen. Ein Doktorand der Stasi-Hochschule in Potsdam richtete sich nach den Anforderungen des jeweiligen Doktor-Vaters und erfüllte sie auch - das ist ein grundlegender Unterschied zu den Betrügereien jener, die Fremdes als Eigenes ausgaben. Inwieweit die Stasi-Wissenschaftler ihren Titel verdient haben, und ob ihre "wissenschaftlichen" Mühen moralisch verwerflich sind oder nicht, darüber mag jeder, der sich ausreichend informiert fühlt, selbst urteilen. Dafür braucht er aber die Information. Umso schwerer zu verstehen ist, dass so lange niemand auf die Idee kam, sich mit dem Thema zu beschäftigen. So blieben die Arbeiten unter Verschluss. Verschluss befördert das Vergessen, Vergessen verhindert die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, und die verhinderte Vergangenheitsaufbereitung wiederum versperrt den Blick in die Zukunft. Peer Jürgens, Landtagsabgeordneter der Linken in Brandenburg, findet, dass es "größere Probleme" gibt, womit er wohl ausdrücken will, dass es sich um ein Nebenthema handelt. Weit gefehlt: Gerade in einer Zeit, wo sich die Welt Gedanken über Massenüberwachung und Massenbespitzelung macht, sollten sich vor allem Politiker Gewissheit über das Vergangene verschaffen, um sich für das Zukünftige klar positionieren zu können. 

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