Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Live-Earth-Konzerte: Musik für den guten Zweck - Leitartikel von Gudrun Norbisrath
Essen (ots)
Der gute Zweck - das klingt nach Heilsarmee und Sammelbüchse, nach Selbstgerechtigkeit und gönnerhaftem Mitleid. Für den guten Zweck gibt man einen Euro oder einen halben und kauft sich frei von weiterem Nachdenken; denn dem guten Zweck liegt oft etwas Unangenehmes zu Grunde.
Der Klimawandel ist etwas höchst Unangenehmes, und mancher von denen, die ihn stoppen könnten, kauft sich frei. Das gilt nicht für die Musiker und ihre Fans, die sich bei ihrer Riesenparty für den Umweltschutz eingesetzt haben. Sie haben Geld zur Verfügung gestellt. Das kann man von vielen Konzernen nicht sagen.
Wie, Party? Hat das etwa Spaß gemacht? Ja, Bedenkenträger aller Länder, es hat offensichtlich viel Spaß gemacht. Sorge um die Umwelt bei großartiger Stimmung, das geht. Wieso denn nicht?
Engagement braucht Leidenschaft, und Leidenschaft braucht Musik. Das weiß, natürlich, die Kirche, die das Musizieren zum Zwecke der Gemeinsamkeit quasi erfunden hat. Das wissen die Parteien. "Wann wir schreiten Seit' an Seit'" - dabei kann man ruhig ein bisschen gerührt werden. Emotion gehört dazu, wenn man für etwas kämpft.
Die Künstler und das Engagement, das hat eine starke Tradition. Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung ist nicht denkbar ohne Bob Dylan, die Friedensbewegung hatte ihre Lieder, die Zusammenhalt gaben. Weil aber Musik Emotionen weckt, ist Häme nicht fern. Sie entsteht immer da, wo Menschen etwas mit dem Herzen tun. Beim Umweltschutz gilt das ganz besonders. Selbst heute, im Augenblick des dringend notwendigen Umdenkens, gelten Umweltschützer vielen als Sektierer. Als Müsliesser mit den Ringelsöckchen der Genügsamkeit.
Umweltschützer sind aber nicht genügsam. Sie fordern viel, und das ist auch nötig. Denn es geht nicht ums Mülltrennen, des Deutschen liebstes und oft einziges Umwelt-Kind. Es geht um den Klimawandel, der zum ersten Mal in der Weltgeschichte vom Menschen und seinen rasant wachsenden Bedürfnissen vorangetrieben wird.
Deshalb ist es notwendig, dass der Umweltschutz eine emotionale Qualität hat: Weil nur über Betroffenheit das Umdenken beginnen kann. Es genügt nicht, auf die Politik zu warten. Allgemeine Aufmerksamkeit ist nötig, ein kollektives Bewusstsein.
Bewusstsein, und das durch Popmusik? Aber sicher. Wer etwas besseres weiß, soll sich melden. Aber bitte schnell.
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