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WAZ: In den USA ist noch vieles offen - Wankelmütige Wähler - Leitartikel von Markus Günther
Essen (ots)
Als Andrew Kohut, einer der bekanntesten amerikanischen Meinungsforscher, dieser Tage gefragt wurde, warum die Umfragen in dieser Vorwahlsaison ständig daneben liegen, sagte er wütend: "Das liegt nicht an uns, sondern an den Wählern!" Denn die Wähler, so Kohut, änderten neuerdings ständig ihre Meinung. Vermutlich stimmt das.
Die amerikanischen Wähler sind so wankelmütig wie selten zuvor. Das gilt für Demokraten und Republikaner gleichermaßen, wenn auch aus geradezu gegensätzlichen Gründen: Die Demokraten sind von ihren beiden Favoriten Hillary Clinton und Barack Obama so begeistert, dass sie Mühe haben, sich zwischen ihnen zu entscheiden; viele hätten am liebsten beide und träumen schon von einer Art Doppelkandidatur mit Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin und Obama als Vize - oder umgekehrt.
Auch den Republikanern fällt die Entscheidung schwer, aber nicht, weil die Kandidaten so gut sind, sondern weil die Partei so ratlos, zerstritten und orientierungslos ist. Keiner der Favoriten überzeugt die Parteibasis voll und ganz.
Deshalb stehen auch nach dem dollsten "Super Tuesday" aller Zeiten, an dem mehr Vorwahlen stattgefunden haben als je zuvor an einem einzelnen Tag, die Kandidaten der beiden Parteien immer noch nicht fest. Gerade die Konzentration der wichtigsten Vorwahlen auf diesen frühen Termin sollte die Entscheidung beschleunigen und den Nominierungsprozess abkürzen. Stattdessen geht das Rennen nun, nach über einem Jahr Dauerwahlkampf, immer noch weiter.
Barack Obama und Hillary Clinton sind entschlossener denn je, nicht aufzugeben, weiter zu kämpfen, und es notfalls auf eine Kampfabstimmung beim Nominierungsparteitag im Sommer ankommen zu lassen. So etwas hat es zwar seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, aber jetzt erscheint es denkbar. Denn im Wahlergebnis vom Dienstag finden beide genügend Argumente und Ermutigungen für ihre Kandidatur.
Dass es bei den Republikanern nach dem "Super Tuesday" einen Kandidaten gibt, der wohl nicht mehr zu stoppen ist, hat dagegen nichts mit Begeisterung in der Partei zu tun. John McCain, der 71 Jahre alte Senator, profitiert nur davon, dass seine parteiinternen Gegner sich gegenseitig im Weg stehen. Schon heißt es unter Republikanern, man solle sich nun rasch auf McCain einigen und sich daran machen, die unter Bush völlig demoralisierte Partei auf die neue Gallionsfigur einzuschwören.
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