Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: SPD-Programm - Die neue Balance und das große Risiko - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Premiere in Deutschland: Nächste Woche kommt die Übel-Bank. SPD und Union sind sich weitgehend einig, den klammen Banken zu erlauben, sich von ihren Zocker-Papieren zu trennen. Das Risiko für den teuren Ramsch übernimmt der Steuerzahler. Diese so genannte Bad Bank ist von Übel für SPD wie Union. Die Sozialdemokraten werden ihrer Kundschaft erklären müssen, weshalb Sie jenen Geld geben, die diese Krise mit verursacht haben (weil sonst die Arbeitslosigkeit steigt). Die Union wird ihren Anhängern beibringen müssen, warum der Staat jetzt besser können soll, was den marktwirtschaftlichen Akteuren nicht gelingt (weil sonst noch mehr Firmen pleite gehen). Beide Parteien verstören ihre Anhänger. Das zeigt: Die Not muss groß sein. Und in der Krise sind alte Gewissheiten wenig bis nichts mehr wert. Die fehlende Berechenbarkeit wird zur neuen Gewissheit.
Was das für die Parteien bedeuten kann, lässt sich am Beispiel der SPD illustrieren. Müntefering und Steinmeier haben es geschafft, die SPD hinter sich zu versammeln. Das ist gelungen mit einem Programm, das die Seele einer Partei streichelt, deren gefühlte Mitte längst Andrea Nahles heißt. Vieles, wofür in der alten Koalition Schröders Müntefering und Steinmeier standen, erscheint von gestern. Grund sind die veränderten Bedingungen, argumentieren beide: Wenn die SPD schon der Wirtschaft mit Milliarden helfen muss, dann muss auch um der Gerechtigkeit willen ein Ausgleich her. Der heißt Börsenumsatzsteuer, Bildungssoli, Mindestlohn oder Altersteilzeit.
Vom Altkanzler Schmidt stammt die Empfehlung, nichts zu versprechen, was man nicht halten kann. Nun ahnen Steinmeier und Müntefering, dass aus dem SPD-Kandidaten nur ein SPD-Kanzler wird, falls die FDP mitmacht. Und die sagt Nein. So hätte von den Forderungen, die die SPD stellt, kaum eine die Chance, Regierungspolitik zu werden. Ein Szenario: Steinmeier wird Kanzler mit Hilfe von FDP und Grünen, das SPD-Programm verschwindet in der Schublade. Weil aber die Milliarden, die jetzt ausgegeben werden, in der nächsten Legislatur hereingeholt werden müssen und die Sozialsysteme dann so am Ende sein werden, wie vor den Hartz-Reformen, drohen schmerzliche Einschnitte. Der Kanzler Steinmeier hat es dann mit einer SPD zu tun, die das alles nicht will, und mit einer Basis, die sich auf seine Versprechen berufen wird. Es wird nicht lange dauern, bis der Ruf erschallt nach Rot-Rot-Grün, zum Beispiel in NRW. Angeblich will das niemand. So wenig wie früher eine Bad Bank.
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