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WAZ: Vom Traum zum Albtraum. Kommentar von Reinhard Schüssler

Essen (ots)

Olympische Dramen füllen ganze Bücher. Das scheinbar
sichere Gold vor den Augen, sind schon Athleten beim Turmspringen mit
dem Kopf aufs Brett geknallt, beim Schwimmen um eine 
Tausendstelsekunde zu "langsam" gewesen oder im Skilaufen einen Meter
vor dem Ziel gestürzt. Aber was sich am Dienstag im Eisstadion von 
Richmond abspielte, ist beispiellos.
Als der fassungslose Zuschauer realisiert hatte, dass der 
holländische Trainer Gerard Kemkers seinen Schützling Sven Kramer im 
10 000-m-Eisschnelllauf durch die fatale Einweisung auf die 
falsche Bahn um die sicher geglaubte Goldmedaille gebracht hatte, 
wusste er nicht, wen er in diesem Moment mehr bedauern sollte: den 
tragischen Helden Kramer oder dessen schlagartig als "Depp" 
dastehenden Trainer, den dieser schlimme Fehler zeitlebens begleiten 
wird?
Im Moment der bitteren Erkenntnis verlor Kramer die Nerven und 
beschimpfte  Kemkers mit deftigen Ausdrücken. Dafür muss man ihn 
nicht loben.  Aber  wer will hier den ersten Stein werfen? Auf solche
brutale Weise um seinen Goldtraum gebracht zu werden - einen 
schlimmeren Albtraum kann ein Sportler kaum erleben.
Immerhin hat Kramer  schon kurz nach dem Drama die Größe gezeigt, 
zu der ihm in der ersten abgrundtiefen Enttäuschung die Kraft gefehlt
hatte. "Sven hat sich wie ein reifer Erwachsener verhalten", lobte 
der  am Pranger stehende Kemkers seinen 23-jährigen Schützling. So 
kann aus einer sportlichen Katastrophe doch noch eine versöhnliche 
Geschichte mit wahrhaft olympischem Ausmaß werden.
Nebenbei, auch wenn es Kramer nicht trösten wird: Eine zweite 
Goldmedaille in Vancouver hätte ihn nicht berühmter machen können als
die Umstände seines Scheiterns . . .

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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