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WAZ: Leitartikel von Dr. Hendrik Groth: Auflösungserscheinung

Essen (ots)

Noch 2002 war die Außenpolitik der rot-grünen
Bundesregierung neben Naturphänomenen Garant für ihre Wiederwahl.
Das abgestimmte Auftreten von Bundeskanzler Gerhard Schröder und
Außenminister Joschka Fischer während der Irakkrise schuf bei den
Menschen Vertrauen in die politische Führung des Landes. Die große
Mehrzahl der Bundesbürger sah sich beim Einsatz gegen den Krieg gut
und glaubwürdig vertreten.
Derzeit gelingt es Schröder und Fischer in geradezu
atemberaubender Geschwindigkeit, das Ansehen der rot-grünen
Außenpolitik zu verspielen. Dass der außenpolitische Sprecher der
grünen Bundestagsfraktion, Fritz Kuhn, zu der Selbstverständlichkeit
genötigt wird, zu erklären, dass derzeit die Aufhebung des EU-
Waffenembargos gegen China nicht infrage kommt, ist eine
Bankrotterklärung des Außenministers.
Der hatte sich zuvor vage in unscharfe Phrasen geflüchtet, um dem
Kanzler nicht in den Rücken zu fallen. Denn Schröder hat sich wie
Frankreichs Staatschef Chirac international und auch in Deutschland
mit der Feststellung isoliert, das Waffenembargo gegen Peking sei
entbehrlich.
Natürlich steht die Bundesregierung im Spannungsfeld von
Realpolitik und wünschenswertem moralischen Handeln. Deutschland ist
eine Exportnation. Ohne Außenhandel kein Wohlstand und viele, ja die
meisten Industriestaaten dieser Erde ordnen ihre Sicherheitspolitik
den wirtschaftlichen Interessen unter.
Doch dann müssen sich die Regierenden fragen lassen: Wenn die
kommunistische Diktatur in China ein Partner für Waffengeschäfte sein
könnte, warum die eher pein-liche Zurückhaltung, wenn es um
gepanzerte Transportfahrzeuge für Israel geht? Einen Staat, mit dem
wir grundlegende, demokratische Wertvorstellungen teilen. Eine
überzeugende Antwort ist nicht zu vernehmen. Das sind
Auflösungserscheinungen eines Bündnisses, das mit dem moralischen
Zeigefinger auf andere zeigte.

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