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NRZ: Die Kluft wird größer - Kommentar zum Armutsbericht von Peter Hahne
Essen (ots)
Der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verrät nichts Überraschendes. Er bestätigt, was unzählige Studien und Statistiken seit Jahren feststellen: Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wächst, und die Schere geht immer schneller auseinander. Ganz so einseitig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist die Sache zwar nicht. So kann die Regierung auch auf so positive Entwicklungen verweisen wie den Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit und weniger Kinder, die von Hartz IV leben müssen. Am Gesamtbild aber gibt es wenig zu deuteln: Die Steuer- und Sozialpolitik der letzten Dekade hat die Reichen reicher, die Mittelschicht ärmer und die Armen erst richtig arm gemacht Arm nicht nur an Geld, arm auch an sozialer Sicherheit, Teilhabe und arm an Perspektive. So lässt sich in dem Bericht wieder nachlesen, dass die Aufstiegschancen in Deutschland nach wie vor eng mit dem Elternhaus verknüpft sind. Ärmer bestellt ist auch um den sozialen Zusammenhalt, das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - und damit schließlich um die Legitimität unserer Sozialen Marktwirtschaft. Denn was ist das Sozialstaatsgebot noch wert in einer Gesellschaft, in der sich mehr und mehr das Recht des Stärkeren durchsetzt und einflussreiche Lobbygruppen über die Politik bestimmen? Will die Mehrheit der Deutschen in einer Gesellschaft leben, in der Großkonzerne Milliarden verdienen, die Arbeitnehmer, die den Erfolg erwirtschaften, aber möglichst klein gehalten werden? Sicher nicht. Eine solche Gesellschaft kann auf Dauer nicht funktionieren. Sie stempelt die Menschen zum Produktionsfaktor, zur Restgröße ab. Der zerbröselnden Mittelschicht wird bislang viel zu wenig Beachtung geschenkt. Nur wenige registrieren, wie langsam, dafür aber um so nachhaltiger und unumkehrbarer die damit verbundenen Umwälzungen sind. Deshalb: Die Bundesregierung täte gut daran, ihren eigenen Armutsbericht ernst zu nehmen. Er böte einen guten Auftakt für eine überfällige Debatte.
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