Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Gewalttätige Proteste von Muslimen Religion als Vorwand CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Lassen wir uns nicht den Heiligen Krieg aufschwatzen, keine Kreuzzugstheorien wälzen und auch nicht den Zerfall der Welt beschwören. Ja, Menschen sind ums Leben gekommen, Kinos brannten, Autos wurden umgeworfen. Schlimm, und alles nur wegen ein paar Mohammed-Karikaturen und eines lausigen Filmchens, das unter sonderbaren Umständen produziert worden ist und aus Sicht der Muslime ihren Propheten verunglimpft. Die Reaktionen der Muslime sind dem Westen unverständlich und fremd. Aber sie sind nicht in erster Linie religiös motiviert. Es gibt viele Argumente dagegen, dass ein Religionskrieg zwischen Muslimen und Christen heraufdämmert. Zumal - auch das ist Wahnwitz des Szenarios - in erster Linie Muslime bei den Protesten der Muslime ums Leben gekommen sind, nicht Christen. Zunächst ist der Westen gar nicht mehr christlich genug, um für seine Glaubensüberzeugungen in den Krieg zu ziehen. So zynisch es ist, aber dem zivilisierten Westen geht es bei kriegerischen Einsätzen nicht um Glauben oder Überzeugungen. Es geht um Macht, Einfluss, wirtschaftliche Interessen und Ressourcen. Auch den Schöpfern der aktuellen Karikaturen und des Films ist nicht an religiöser Auseinandersetzung gelegen, sondern lediglich an Provokation und Aufmerksamkeit. Dass jetzt viele Medien bis hin zum deutschen Satiremagazin Titanic auf den Provokationszug aufspringen, lohnt der Erwähnung kaum. Es weckt nur noch Mitleid. Das ist die eine Seite. Die protestierenden Muslime andererseits nutzen die Religion als Vorwand für ihr gewalttätiges Wüten. Was wäre das für ein Allah, was für ein Gott, wenn er solche Mordbanden für die Verteidigung seines Ansehens benötigte? Überzeugte Christen wissen, dass Spott ihren Gott nicht klein machen kann. Wenn sich die Gewalt von Tunesien bis Pakistan gegen den Westen nun Bahn bricht, hängt das mehr mit der Geschichte, der inneren muslimischen Verfassung und der aktuellen sozio-demographischen Situation in der islamischen Welt zusammen. Durch rund vier Jahrhunderte sind muslimische Gesellschaften dem Westen machtpolitisch unterlegen. Ihre einstige Blüte ist dahin. Seit der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken im 17. Jahrhundert hat der Westen immer die Oberhand gehabt. Und er hat diese Macht durch zahlreiche Unterdrückungen bis hin zu willkürlichen Staatsgründungen im vergangenen Jahrhundert reichlich missbraucht. Die islamische Welt - bis heute tief zerstritten, ja innerlich verfeindet - fand nie die Kraft, wieder zu erstarken. Dieses Minderwertigkeitsgefühl empfindet nun stark eine perspektivlose Generation von Halbstarken, die sich gern von politisch-religiösen Scharfmachern instrumentalisieren lässt. In vielen Gesellschaften sind diese jungen Männer besonders gewaltbereit. Am arabischen Frühling beteiligten sich noch viele Frauen. Die sind bei diesen Protesten gar nicht mehr zu sehen. Alles Hinweise darauf, dass es nicht um einen Heiligen Krieg geht.
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