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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Papst-Rücktritt Sehr gemischte Bilanz CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Gerüchte gab es immer wieder. Nun ist es amtlich: Papst Benedikt XVI. wird sein Amt Ende des Monats aufgeben. Das ist ein Paukenschlag, weil es in der Kirchengeschichte fast einmalig und der Zeitpunkt überraschend ist. Man versetze sich in den Menschen Joseph Ratzinger. Er spürt seit einigen Jahren - in den vergangenen Monaten stärker -, dass seine körperlichen Kräfte schwinden, dass er den Anforderungen des Amtes zunehmend nicht mehr gewachsen ist. Gleichzeitig weiß er aber auch um die Ausnahmesituation. Erst ein Papst vor ihm hat freiwillig den Hirtenstab der katholischen Kirche aus der Hand gelegt: Papst Coelestin im Jahr 1294. Eigentlich wird das Amt auf Lebenszeit vergeben und ausgeübt. Die Gläubigen und die Institutionen der Kirche erwarten, dass der Papst auch im persönlichen Leiden seinen Pflichten nachkommt. Papst Johannes Paul II. - der Amtsvorgänger Benedikts XVI. - hat die ganze Welt an seinem körperlichen und geistigen Verfalls- und Sterbeprozess teilhaben lassen. Tagelang harrten die Gläubigen im Frühjahr 2005 auf dem Petersplatz in Rom aus und beteten für das sterbende Kirchenoberhaupt. Ihm war das die angemessene Form, den Menschen Verfall, Scheitern und Sterben nahezubringen. Das will sich Benedikt, so hat es jetzt den Anschein, ersparen. Das verdient Anerkennung. So unbeweglich Papst Benedikt XVI. in vielen theologischen und ideologischen Fragen der Amtsführung war, so modern ist er mit seiner Entscheidung, das Amt aufzugeben. Er hat sich für das eigentlich Undenkbare entschieden und verzichtet darauf, sein Pontifikat fortzusetzen. Er musste nun wohl auch den Durchstechereien innerhalb des Vatikans (Vatileaks), den Ränkespielen der Kurienkardinäle, den Machtkämpfen und den Reise-Herausforderungen Tribut zollen. Er macht mit seinem Rücktritt allen Menschen deutlich, dass ihre Kraft endlich ist. Es ist ein Zeichen von Einsicht und Weisheit, den Stuhl Petri rechtzeitig zu räumen und nicht starrsinnig darauf sitzen zu bleiben, bis er nur noch Schaden schafft. Nur weil es so üblich ist. Es ist ein anderes Zeichen als das seines Vorgängers, der viel Anerkennung für sein Durchhaltevermögen erhalten hat. Aber ebenso zu respektieren. Für die Kirche ist die Bilanz Benedikts XVI. sehr unterschiedlich: Im aufgeklärten und fortschrittlichen Westen wird er für seine konservative Haltung gegeißelt. Die Ökumene ist unter ihm zurückgeworfen worden, weil Benedikt eindeutig die Dominanz der katholischen über die evangelische Kirche betont hat. Auch das Verhältnis zu Juden und Muslimen wurde belastet. Die Frauenfrage stagnierte während seines Pontifikats, weibliche Priester sind nach wie vor undenkbar. Die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen harrt weiter einer Antwort, die der modernen Gesellschaft entspricht. In der Sexuallehre gibt es keine Bewegung. Den massenhaften Missbrauch katholischer Geistlicher an Jugendlichen hat der Papst sehr lange nicht wahrgenommen oder nicht wahrnehmen wollen. Er trägt damit Verantwortung für die Krise seiner Kirche im Westen. Die katholische Kirche aber ist eine Weltkirche. In weiten Teilen Asiens, Lateinamerikas und auch Afrikas blüht sie auf. Gerade in diesen genannten Gesellschaften scheinen die konservativen Grundsätze Benedikts willkommene Leitlinien zu sein. Auch das ist zu berücksichtigen bei der Bewertung der Amtszeit Benedikts XVI. Letztlich ist er sich und seiner konservativen Linie treuer geblieben, als das zu Beginn seiner Amtszeit zu erwarten war. Die westliche Hoffnung, vielleicht sogar die speziell vieler deutscher Katholiken auf einen reformorientierteren neuen Papst kann nur gering sein. Denn unter den beiden letzten Päpsten sind vor allem sehr konservative Kardinäle ernannt worden. Das den Papst wählende Konklave setzt sich aus diesen Männern zusammen, die das Bewahrende in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen. Das umso mehr, als ein Kandidat aus Afrika oder Südamerika nicht ausgeschlossen ist. Aufbruch ist nicht zu erwarten.

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