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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Lammerts Promotion im Visier Maßlos überschätzt ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Bielefeld (ots)

Natürlich gilt für Norbert Lammert die Unschuldsvermutung. Doch die bisherigen Erfahrungen mit der Plagiatsjagd im Internet zeigen, dass die Vorwürfe meistens nicht widerlegt werden konnten. Es könnte also sein, dass ein Norbert Lammert vor fast 40 Jahren in seiner Doktorarbeit schludrig gearbeitet hat. Wenn es denn so gewesen sein sollte, handelt es sich um einen Fehler. Man darf nicht abschreiben. Das lernen die Kinder zu Recht schon in der Schule. Und wissenschaftliche Standards sollten auch eingehalten werden. Aber es gibt schlimmere Fehler, die ein Mensch im Laufe seines Lebens machen kann. Und vor allem hat diese Doktorarbeit nicht das Geringste damit zu tun, wie Lammert das Amt des Bundestagspräsidenten ausfüllt. Dass er in den Augen vieler Abgeordneter, egal welcher parteipolitischer Couleur, ein überaus engagierter Verteidiger parlamentarischer Rechte ist und seinen Job einfach sehr gut macht, ist nach wie vor wahr. Selbst wenn er eines Tages seinen Doktortitel zurückgeben müsste, ändert das nichts an seiner Befähigung zum Amt des Bundestagspräsidenten. Ein Rücktritt wäre deshalb unsinnig. Hierzulande werden Doktortitel sowieso maßlos überschätzt. Zu viele promovieren. Nicht immer, weil sie der Welt tatsächlich etwas gänzlich Neues mitzuteilen hätten, sondern weil sie das Renommee lockt oder das erhoffte zusätzliche Geld im Job. Es wäre die ureigene Aufgabe der Universitäten, dieser Promotionsschwemme einen Riegel vorzuschieben. Und die sogenannten Doktorväter oder -mütter müssten für die Einhaltung der akademischen Standards sorgen. Die Schuld nur auf die Studenten abzuladen ist zu einfach. Es wäre an der Zeit, aus den zahlreichen Plagiatsaffären allgemeine Schlüsse zu ziehen. Damit anonyme "Jäger" im Internet nicht die Macht bekommen, die sie heute leider haben.

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