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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

Vergessen wir ganz schnell zwei jahrelang
strapazierte Sprechblasen deutscher Politiker, zum 
Afghanistaneinsatz:
- Der Norden ist ruhig und hat mit den Kämpfen im Süden nichts zu 
tun, und
- Bundeswehrsoldaten haben nichts zu befürchten, weil sie (nicht 
Amerikaner und deshalb) beliebt sind.
Noch eine bislang gesicherte Grundannahme bekommt mehr und mehr Züge 
einer Lebenslüge:
Mit dem Aufbau von Polizei und Justiz wandelt sich die seit 30 Jahren
im, mit und vom Krieg lebende Bevölkerung zu einer einigermaßen 
gerechten Zivilgesellschaft. Nein, die anhaltende gezielte Gewalt 
gegen Soldaten - egal welcher Nation - auch im Norden sollte endlich 
zu einer ehrlicheren und damit auch schonungsloseren Debatte führen. 
Tatsache ist, dass die Vormärsche und Gebietsgewinne der Taliban im 
Süden in einem direkten Zusammenhang mit dem seit dem Winter fast 
hundertfachen Raketenbeschuss allein gegen das Lager Kundus stehen.
Dabei sind die deutschen Soldaten in den großen Feldlagern sowohl von
Kundus als auch in Faisabad, Masar-i-Scharif und Kabul weitgehend 
sicher. Gefährlich wird es, wenn sie auf Patrouille gehen oder gar, 
wie gestern, vermutlich selbst nach Attentätern fahnden, weil die 
afghanischen Behörden das nicht tun.
Zum Einsatzkonzept gehört die Suche nach Nähe zur Bevölkerung. Lange 
Zeit war es eine Art Versicherung, wenn Patrouillen beim Stopp in 
einer Siedlung mit den Dorfältesten Tee tranken.
Die Frage ist, ob das jetzt noch geht. Dis Kommandeure vor Ort stehen
vor extremen Herausforderungen. Vermutlich haben sie kaum noch 
Hinweise und Geheimdienst-Erkenntnisse. Selbst dem Gouverneur von 
Kundus traut kaum noch einer. Auch Gespräche mit Einheimischen geben 
womöglich schon lange nicht mehr zuverlässige Informationen darüber, 
was rundum geschieht.
Nur weil inzwischen fast alle 750 Fahrzeuge der Bundeswehr am 
Hindukusch mehr oder weniger gepanzert oder zumindest leicht 
mienengeschützt sind, gehen die meisten Anschläge für die Soldaten 
glimpflich aus. »Angesprengt« worden zu sein gilt im Soldaten-Jargon 
als beinahe hinnehmbar. Die Steigerung heißt »weggesprengt« - genau 
das ist gestern wieder geschehen.
 Wenn der Tod von inzwischen 30 Bundeswehrsoldaten zu noch stärkerem 
Einigeln zwänge, ginge das Konzept der unsichtbaren Feinde auf. Sie 
sabotieren nach Kräften den Wiederaufbau und brennen Mädchenschulen 
ab. Im Süden machen sie gezielt Jagd auf Schüler und Lehrer beim 
Englisch-Unterricht.
Der gestrige Tod von fünf Kindern wird vermutlich keinerlei Proteste 
der Afghanen gegen die Taliban bewirken. Das war zwischenzeitig 
einmal anders. Längst lähmt wieder Angst die Afghanen. Schneller, als
wir uns das hierzulande vorstellen können, haben sie begriffen, wer 
in ihrem Land bei Nacht inzwischen wieder das Sagen hat.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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