Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Banken, Boni & Co.

17.07.2009 – 19:26

Bielefeld (ots)

Ist die Krise schon vorbei? Sieht man sich die
jüngsten Geschäftszahlen einiger großer us-amerikanischer Banken an, 
könnte man es beinahe glauben.
Die Bilanz, die die US-Investmentbank Goldman Sachs am Dienstag 
präsentierte, ließ selbst Experten staunen. Im zweiten Quartal 
verbuchte der Branchenprimus einen Rekordgewinn von 3,4 Milliarden 
Dollar. Allein von April bis Juni wurden 6,65 Milliarden Dollar an 
Gehältern und Bonuszahlungen ausgeschüttet. Hält der Trend an, wird 
jeder der 30 000 Mitarbeiter in diesem Jahr im Schnitt 770 000 Dollar
verdienen.
 Gewiss ein Spezialfall. Doch die Meldungen, dass Banken in die 
Gewinnzone zurückkehren, häufen sich. Gut so, möchte man sagen. Doch 
bleibt einem die Freude im Halse stecken, wenn man sieht, wie viele 
in der Bankenwelt so tun, als wäre nie etwas gewesen.
 Längst hat der Wettlauf um die besten Leute wieder eingesetzt, 
längst ist das Millionenspiel um die Boni wieder in vollem Gange. 
Schlechtestes Beispiel dafür ist die Sonderzahlung von 2,8 Millionen 
Euro an Dirk Jens Nonnenmacher, den Vorstandschef der HSH-Nordbank, 
obwohl das Kreditinstitut ohne die Bürgschaften des Staats längst 
bankrott wäre.
»Erst kommt das Fressen, dann die Moral«, möchte man mit Bertolt 
Brecht achselzuckend sagen, wären da nicht Millionen Menschen in 
aller Welt, die sich mitten in der Krise befinden oder denen sie erst
noch bevorsteht. Vor diesem Hintergrund ist der Rückfall in alte 
Verhaltensmuster besonders schwer erträglich. So schwer, dass man 
aufpassen muss, nicht Recht und Moral durcheinander zu bringen.
Geht es allein nach dem Recht, sind Goldmans Gehälter ebenso wenig zu
beanstanden wie die elf Millionen Dollar, die der ehemalige GM-Chef 
Rick Wagoner als Rente kassiert. Ja, sogar der Transfer des 
portugiesischen Fußballers Cristiano Ronaldo zu Real Madrid für die 
Wahnsinnssumme von 94 Millionen Euro lässt sich aus den Gesetzen von 
Angebot und Nachfrage herleiten.
Wem diese Gesetze zur Legitimation genügen, der darf sich nicht 
wundern, dass Menschen das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem 
verlieren. Gerade jene, die sich abgespeist fühlen könnten, müssen 
sich die Augen reiben ob der Großzügigkeit, mit der sich einige 
bedienen beziehungsweise bedient werden.
Freilich muss man aufpassen, nicht moralinsauer zu werden. Über allem
steht die Frage: Wie würde ich handeln, wenn ich in vergleichbarer 
Position wäre? Den Bonus ablehnen? Das Gehalt freiwillig reduzieren? 
Wer Moral fordert, sollte sie auch selbst leben, sonst wird sie 
wohlfeil.
Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Nicht alles, was legal 
ist, ist legitim. Nicht alles, was einem nicht verboten wird, sollte 
man sich erlauben. Das Verhalten des Einzelnen ist nur auf den ersten
Blick folgenlos für die Gesellschaft. Es ist der Grundstoff des 
Zusammenlebens. Verlieren dies nur genug Einzelne aus dem Blick, 
kommt die nächste Krise, bevor diese wirklich vorbei ist.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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