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Schwäbische Zeitung: Die Gläubigen nicht enttäuscht - Leitartikel

Leutkirch (ots)

Der katholischen Kirche in Deutschland weht der Wind kräftig ins Gesicht: Die Aufforderung des katholischen Bundespräsidenten, Brüche in menschlichen Lebensentwürfen zu akzeptieren, die Erwartung an mehr Ökumene, und die Bitte vieler Katholiken nach mehr Dialog in der Kirche zeigten dem Papst, dass der Druck zunimmt. Gerade die Menschen, die sich der Kirche verbunden fühlen, sehnen sich nach Antworten auf diese und viele andere Fragen.

Aus seinem Selbstverständnis heraus antwortete der Papst - aber seine Antworten fielen anders als erwartet aus. Wer gehofft hatte, dass der Papst Zugeständnisse an den Zeitgeist machen würde, hatte schon vor der Visite nicht verstanden, dass es ihm vor allem um Eines geht: um die Botschaft des liebenden Gottes. Der Papst versteht sich als Theologe, er ist ein "von Gott Redender". Damit macht er es seinen Zuhörern nicht immer leicht. Wer aber genau hinhörte, bemerkte, dass der Papst seine Landsleute sehr genau versteht und Zeichen setzt.

Mit der Mahnung an die Politiker im Bundestag, ihre Verantwortung ernster zu nehmen, punktete der Papst gleich zum Auftakt. Sein Treffen mit Vertretern des Islam zeigt den Willen zum Dialog. Das Treffen mit Protestanten sowie der Besuch des Augustiner-Klosters in Erfurt, wo Martin Luther lebte, beweist, dass ihm das Gespräch in der Ökumene wichtig ist. Dass er mit seiner Absage an mehr Gemeinsamkeiten Protestanten und Katholiken gleichermaßen enttäuschte, stimmt traurig. Missbrauchsopfer wissen nun, dass ihre Problematik den Papst bewegt.

Den Menschen, die vielleicht für lange Zeit zum letzten Mal einen deutschen Papst in Deutschland erlebt haben, war anderes wichtig: die Begegnung, der emotionale und der geistliche Aspekt. Sie wurden nicht enttäuscht, weil ihre Erwartungen dem entsprachen, was Benedikt XVI. mit seinem Besuch für sie leisten wollte. Aber sie werden damit leben müssen, dass ihrer Kirche, die so sehr um Antworten ringt und sie teilweise schuldig bleibt, der Wind bald stärker denn je ins Gesicht bläst.

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