Schwäbische Zeitung: Mehr Europa muss her - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Europa steht am Abgrund. Die Krisenstaaten können sich praktisch nicht mehr mit neuen Krediten finanzieren, und das Misstrauen der Anleger greift auf die stabilen Kernländer der Euro-Zone über. Selbst Deutschland schaffte es jüngst nicht, seine Anleihen in vollem Umfang an die Käufer zu bringen. Die Investoren vertrauen der Euro-Zone nicht mehr. Wenn es nicht schnell gelingt, die Schuldenkrise zu lösen, droht ein Fiasko: Staatspleiten sind ebenso möglich wie der Zerfall der Gemeinschaftswährung und eine erneute Finanzkrise mit schwerer Rezession.
Die Euro-Regierungen müssen jetzt zwei Ziele erreichen: Erstens gilt es, die nervösen Märkte endlich dauerhaft zu beruhigen. Zweitens muss das Euro-System von Grund auf reformiert werden, damit Schuldenexzesse in Zukunft nicht mehr möglich sind. Um Ersteres zu schaffen, führt an den - gerade in Deutschland so ungeliebten - Euro-Bonds kein Weg mehr vorbei. Nur mit Gemeinschaftsschuldscheinen lässt sich noch genug Geld auftreiben. Der zu kleine Rettungsschirm EFSF würde allein schon bei dem Schwergewicht Italien an seine Grenzen stoßen. Und die Alternative, dass die Europäische Zentralbank die Schulden über die Notenpresse finanziert, dürfte zu einer kaum kontrollierbaren Inflation führen.
Bundeskanzlerin Merkel wird also in den sauren, weil teuren Apfel Euro-Bonds beißen müssen. Deutschland bürgt dabei mit seiner hohen Bonität für die klammen Nachbarn. Zeitgleich zu den Gemeinschaftsanleihen muss die Kanzlerin aber durchsetzen, dass die EU-Verträge geändert werden. Denn Euro-Bonds dürfen eines auf gar keinen Fall sein: ein Freifahrtschein für die Schuldenmacher. Die EU muss ein Vetorecht gegen unseriöse Haushalte erhalten. Das heißt: Das letzte Wort über einen nationalen Haushalt wird künftig Brüssel haben. Wer diesen enormen Verlust an Souveränität nicht mittragen will, muss die Konsequenz ziehen und die Euro-Zone verlassen. Den Euro kann nur eines retten - mehr Europa.
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