Schwäbische Zeitung: Steuerzahler saniert mit - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Die Drogeriekette Schlecker steht vor dem Untergang, doch das Management behält die Nerven. Kühl kalkulierend streben die Schleckers eine Sanierung des Handelsriesen in Eigenregie an. So kann Anton Schlecker sein Lebenswerk retten - und auf einen Schlag einen Haufen Schulden loswerden. Genau genommen will sich Schlecker auf Kosten anderer Leute aus der Affäre stehlen. Sein Privatvermögen erklärte der Milliardär vorsorglich schon einmal für tabu. Zahlen müssten Lieferanten, Vermieter und Beschäftigte. Das Gesetz schreibt vor, dass sie auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Unter dem Schutz des Insolvenzrechts kann das Unternehmen zum Beispiel schlecht laufende Läden schließen, ohne sich um jahrelange Kündigungsfristen zu scheren. Schlecker könnte seine Lohnkosten teilweise dem Staat aufbürden, da die Bundesagentur den Beschäftigten drei Monate lang Insolvenzausfallgeld zahlt. Womöglich - darüber streiten Juristen noch - darf der Drogerist sogar teure Tarifverträge mit der Gewerkschaft lösen.
Gerade Verkäufern und Kassiererinnen dürfte das Opfer schwerfallen. Während Mitarbeiter bei kränkelnden Familienbetrieben freiwillig auf Lohn verzichten, gilt Schlecker nicht eben als Sympathieträger, für den die Belegschaft durch dick und dünn geht. Wenn sich Gewerkschaft und Gläubiger dennoch durchringen sollten, den Sanierungsplan mitzutragen, dann allein deshalb, weil die Alternative noch schlechter ist: eine Pleite des Drogerieriesen.
Es ist jetzt an der Familie Schlecker, Mitarbeiter und Gläubiger auf die Rettung der Drogeriekette einzuschwören. Wie das geht, zeigte 2009 die Industrielle Maria-Elisabeth Schaeffler: Vor den Werkstoren in Herzogenaurach gab sie unter Tränen zu, dass sie sich mit der Übernahme des Zulieferers Conti übernommen hatte. Die Arbeiter bejubelten den entwaffnenden Auftritt ihrer Chefin, das Unternehmen wurde gerettet. Die Schleckers sind bisher stumm geblieben. Ehingen wartet auf ihre Blut-, Schweiß- und Tränenrede.
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