Schwäbische Zeitung: Bloß keine falsche Scham - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Durch Europa geht ein tiefer Riss: Auf der einen Seite trotzt Deutschland jeder Krise und eilt bei den Exporten von Rekord zu Rekord. 2011 sind erstmals Waren im Gesamtwert von mehr als einer Billion Euro - in Ziffern: 1000000000000 Euro - ausgeführt worden. Auf der anderen Seite stehen die Krisenländer mit dramatisch schrumpfender Wirtschaftskraft und katastrophalen Haushalten, allen voran Griechenland. Eine schlimme Situation in der Großfamilie "Europäische Währungsunion" - doch schämen braucht sich Deutschland für seinen Erfolg nicht.
Wer nun mal wieder neidisch auf den Streber zeigt, will entweder vom eigenen Unvermögen ablenken oder hat nur wenig Ahnung von Ökonomie. Hielte sich Deutschland - nur einmal angenommen - bei den Exporten zurück, würde das keinesfalls die Ausfuhren der anderen Euro-Volkswirtschaften erhöhen. Denn der Wettbewerb findet längst global statt: Die Konkurrenten deutscher Unternehmen sitzen nicht in Athen, Porto oder Granada, sondern in Schanghai, Seoul, Denver und São Paulo. Entscheidend sind einzig und allein Qualität und Preis der Produkte. Um Europa insgesamt wieder erfolgreich zu machen, müssen sich Griechenland, Portugal, Spanien und Italien schleunigst am ungeliebten Bruder nördlich der Alpen orientieren. Das heißt: schmerzhafte Strukturreformen, Haushaltsdisziplin, eine verantwortungsvolle Lohnpolitik und gewaltige Anstrengungen, um immer wieder neue Produkte für den Weltmarkt zu entwickeln.
Keine Frage: Deutschland profitiert vom Euro und ist durch seinen Erfolg zur Solidarität verpflichtet - doch darf die Währungsunion keine Hängematte sein. Nur wenn die Krisenstaaten ihre Hausaufgaben machen, hat der Euro, hat Europa insgesamt eine Zukunft. Griechenland indes ist ein Sonderfall. Das Land braucht drei Dinge: eine geordnete Insolvenz, weiterhin finanzielle Hilfen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, und eine eigene Währung - ob diese nun Neue Drachme, Hellas-Dollar oder sonst wie heißt.
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