Schwäbische Zeitung: Ohne Zwang geht es nicht - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Kritiker der EU-Kommissarin Viviane Reding meinen, es sei Männern gegenüber ungerecht, Frauen per Quote zu fördern. Zum Thema Ungerechtigkeit: Noch immer verdienen deutsche Frauen, wenn sie denn Vollzeit arbeiten, deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Ganz nebenbei tragen sie die Hauptlast der Kindererziehung. Welcher Mann muss sich schon die Frage stellen: Kind oder Karriere? Die Quote wäre endlich ein Signal gegen diese unfairen Bedingungen. Sie würde zeigen, dass es der Politik ernst ist mit der Frauenförderung.
Freiwillige Abmachungen sind dabei keine Option: Schon 2001 versprach die Privatwirtschaft der Bundesregierung, Frauen nachhaltig zu unterstützen. Wer sich nach elf Jahren die Vorstände deutscher Unternehmen anschaut, sieht noch immer nur Krawatten. Dass es ohne Zwang nicht geht, ist damit zur Genüge bewiesen. Kommt die Quote nicht, werden Frauen noch in Jahrzehnten nur Verbesserungen in homöopathischen Dosen erleben. Ein solches Schneckentempo kann sich auch die Wirtschaft angesichts des viel beklagten Fachkräftemangels nicht leisten.
Es geht darum, eine männlich geprägte Unternehmenskultur aufzubrechen. Der Personalverantwortliche stellt in der Regel den Mitarbeiter ein, in dem er sich wiedererkennt. Dieses Prinzip der Ähnlichkeit wäre nicht länger ungerecht, wenn Frauen mitentscheiden dürften. Kommen weibliche Mitarbeiter durch die Quote endlich an die Spitze, werden weitere automatisch folgen. Andere europäische Länder - allen voran Norwegen und Schweden - machen uns das vor.
Wenn aus der Quote ein Selbstläufer geworden ist, kann sie getrost wieder abgeschafft werden. Doch im Moment führt kein Weg daran vorbei. Nicht zuletzt, damit junge Frauen weibliche Führungskräfte nicht mehr als Rarität wahrnehmen, sondern als Selbstverständlichkeit. Im besten Fall eifern sie dem Vorbild nach - mit dem Entschluss: "Die hat es geschafft, das kann ich auch."
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