Schwäbische Zeitung: Die Welt sorgt sich um Europa - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Seit Monaten, nein seit Jahren, sorgen wir uns um den Euro, um die Zukunft der Europäischen Union. Unsere Bundeskanzlerin eilt von Gipfel zu Gipfel, sie mahnt die Sünder und sie lockt die Zweifler. Sie ackert redlich und sie versucht unermüdlich zu retten, was zu retten ist. Und dann reist sie nach Mexiko zum G-20-Gipfel und muss sich von den in San José del Cabo versammelten anderen Mächtigen anhören, sie seien gar nicht sicher, ob wir Europäer es wirklich schafften.
Während wir in Deutschland uns gegenseitig darin bestärken, dass Merkel es schon richten wird, schütteln die Mächtigen aus Russland, China, Indien und Brasilien besorgt die Köpfe. Im amerikanischen Wahlkämpfer Barack Obama haben sie einen beredten Partner, der sich - schließlich braucht auch er einen Schuldigen für die schleppende Erholung der US-Wirtschaft -, zivilisiert, aber deutlich an der Europäer-Schelte beteiligt.
Manchmal ist solch eine Reise und der damit verbundene Wechsel der Perspektive ebenso schmerzhaft wie lehrreich: Europa wird von vielen neuen Mächten mit einer Mischung aus Faszination und Herablassung betrachtet. Wir haben Kultur, wir haben eine lange Geschichte, wir haben schöne Städte und viele kluge Köpfe, die technisch hochwertige Produkte entwickeln. Aber dann wird die mangelnde Flexibilität Europas gerügt. Der alte Kontinent hat angeblich seine Glanzzeit hinter sich, seine Blüte werde ebenso vergehen, wie einst die persische oder die römische. Das wohl kaum, denn Europas Kreativität scheint ungebrochen und der Lebensstandard in vielen Teilen der EU hoch. Aber wir müssen den neuen Partnern - einige von ihnen sind bereits in vielen europäischen Unternehmen die Herren - auf Augenhöhe begegnen, ohne die Arroganz, für die Europa in der Welt so lange gefürchtet war. Und wir müssen uns immer mal wieder fragen, ob wir noch genug wissen von der Welt da draußen und von dem, was die wichtigen Entscheider in Asien, in Afrika und Amerika über uns denken.
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