Schwäbische Zeitung: Der FC Bayern spielt Risiko - Kommentar
Leutkirch (ots)
Sagen wir mal so: Es gibt größere Überraschungen als jene, dass Christian Nerlinger mit dem FC Bayern und der FC Bayern mit Christian Nerlinger nicht glücklich geworden sind. Die Schuhe des Sportdirektors Uli Hoeneß waren für seinen Nachfolger mehr als nur eine Nummer zu groß. Nerlinger ist ein höflicher, gebildeter Zeitgenosse, der an der Munich Business School studiert und an der Uni in Bozen Italienisch gelernt hat. Seit 2009 war er Sportdirektor, und die Bilanz seines Wirkens fällt - nach Bayern-Maßstäben - zu dürftig aus. Einem Meistertitel und einem Pokalsieg steht der Machtwechsel an Dortmund entgegen. Die Seuchensaison 20011/12, in der alles zu gewinnen war und alles verspielt wurde, brachte das Fass zum Überlaufen. Die amerikanische Überzeugung, dass die Niederlage mit dem zweiten Platz beginnt, könnte auch als Sinnspruch auf einem Chef-Schreibtisch in der Säbener Straße stehen.
Nun haben die Münchner einen Mann für Platz eins geholt. Matthias Sammer ist in seiner Erfolgsbesessenheit sicherlich das exakte Gegenmodell zu Nerlinger: Wenn's um den Sieg geht, kennt er keine Verwandten, 100prozentige Berufsauffassung ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, und Verlieren sieht er als schlechte Angewohnheit an. Solche Typen braucht man als Klub von Weltgeltung.
Die Frage ist bloß, wie solch ein Alphatier mit dem Alphatier Uli Hoeneß, der 16 Meistertitel und neun Pokalsiege geholt hat, auskommt. Außerdem muss Sammer mit einem Kader arbeiten, den sein Vorgänger zusammengestellt hat - schlechte Voraussetzung dafür, eigene Akzente zu setzen. Und wie Trainer Heynckes auf den neuen starken Mann reagiert, steht auch in den Sternen.
Der FC Bayern setzt (wie einst bei Klinsmann) wieder einmal auf Risiko. Allerdings sind die Erfolgschancen diesmal größer. Es wird spannend werden. Und für die Bayern-Professionals wohl ungemütlich.
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