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Schwäbische Zeitung: Perfekt sein ist nicht alles - Leitartikel

Leutkirch (ots)

Soll man medizinisch alles tun, was menschenmöglich ist? Schon länger gibt es die Diskussion, ob es wirklich wichtig ist, Fett abzusaugen und Falten zu unterspritzen, Ohren anzulegen oder Doppelkinne zu beseitigen. Ist nur der perfekte Mensch schön? Um wie viel schwerer wiegt die Frage: Hat nur der perfekte Mensch ein Recht zu leben?

Der Bluttest einer Konstanzer Firma, mit dem das Down-Syndrom frühzeitig festgestellt werden kann, soll in diesem Monat auf den Markt kommen. Schon heute werden 90 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben. Doch gerade die Eltern von jungen Menschen mit dieser Behinderung wissen, welche Bereicherung diese Kinder für ihr Leben sind. Ihre Freude, ihre Liebenswürdigkeit und ihre Aufrichtigkeit sind oft um vieles höher als bei anderen Kindern.

Sicher, die Eltern von Down-Kindern wissen auch am besten, welch Mühe und Arbeit die ersten Jahre machen, bis diese Kinder lesen und schreiben, sprechen und sich bewegen lernen. Und manche Mutter ist sich nicht sicher, ob sie diese Kraft ein zweites oder drittes Mal aufbringen könnte. Genau das ist der heikle Punkt. Pränatal-Diagnostik ist dazu da, zu heilen und zu helfen, und es kann in manchen Fällen um die Mutter gehen, die sonst scheitern würde.

Gen-Diagnostik ist aber auf keinen Fall dazu da, auszusortieren. Dieser neue Bluttest leistet der routinemäßigen Selektion menschlichen Lebens Vorschub. Und er wird den Druck auf werdende Eltern, ein perfektes Kind zur Welt zu bringen, steigern. Nur der perfekte Mensch ist der erwünschte Mensch.

Schöne neue Welt? Nein danke. Leben ist Liebe, und ein reiches Leben ist ein Leben mit Vielfalt. Vielfalt, die sich auch in kleinen und großen Fehlern ausdrücken kann, in Krankheiten, in Behinderungen. Und Liebe, die gerade diesen Fehlern und Unzulänglichkeiten der anderen gilt. "Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen", sagt Ärztepräsident Montgomery. Vielleicht ist das so. Aber manchmal lohnt es sich, einem Rad in die Speichen zu greifen.

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