Schwäbische Zeitung: Draghi handelt wenigstens - Leitartikel
Leutkirch (ots)
EZB-Präsident Mario Draghi kauft dem Euro noch einmal ein bisschen Zeit. Damit hat der Italiener dem Druck der Märkte, der Krisenländer Spanien und Italien und fast aller anderen Euroländer nachgegeben. Er selbst hatte zudem Ende Juli vollmundig angekündigt, alles zu tun, um den Euro zu retten. Damit hing die Latte schon sehr hoch. Die EZB kann die Eurokrise nämlich nicht lösen. Auch wenn viele es anfangs gerne so gesehen hätten: Draghi ist kein Super-Mario. Die Krise zu lösen ist auch nicht die Aufgabe der EZB. Sie soll lediglich die Geldwertstabilität als unabhängige Institution wahren, woran uns Bundesbankpräsident Jens Weidmann täglich unermüdlich erinnert. Warum also hat sich Draghi so unter Druck gesetzt? Jetzt muss er ein Versprechen einlösen, von dem er weiß, dass es die Kompetenzen der EZB bis in die Grauzone des Erlaubten ausreizt.
Der Notenbanker stand vor einem Dilemma: Entweder hätte er weiter darauf warten können, dass endlich die eigentlich zuständigen Stellen handeln - sprich die europäischen Regierungen und Brüssel. Damit hätte Draghi jedoch riskiert, dass die Eurozone auseinanderbricht, bevor sich die Politiker auf Lösungsansätze wie Eurobonds oder Schuldentilgungspakt einigen. Oder er musste sich auf eine mögliche Euroentwertung einlassen, indem er noch mehr Geld ins System pumpt. Für Letzteres hat er sich entschieden. Die Währungshüter kaufen unbegrenzt Staatsanleihen der Wackelkandidaten - diesmal allerdings mit Auflagen für die Krisenländer.
Drohende Inflation und der Ruch einer Kompetenzüberschreitung sind dabei nicht die einzigen unangenehmen Folgen: Ein weiteres Problem sind die Deutschen. Schon vor der Entscheidung war klar, was das Streberland der Eurozone von dem Geldsegen für die Krisenländer hält. Solange aber keine Lösungen von der Politik zu erwarten sind, muss die EZB einspringen. Zwar ist es gut, wenn einer wie Weidmann den moralischen Zeigefinger erhebt. Aber Draghi weiß: Krisen löst man durch Handeln - nicht durch Blockieren.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de
Original-Content von: Schwäbische Zeitung, übermittelt durch news aktuell