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Schwäbische Zeitung: Die EU ist mehr als Papierkram - Kommentar

Leutkirch (ots)

Was, die EU bekommt den Friedensnobelpreis? Dieses bürokratische Monstrum? Das unsere Bauern mit Landwirtschaftsnormen nervt! Das dem Einzelhandel die Krümmung der Salatgurke vorschreiben will! Und das Hausbesitzer in abgelegenen Gebieten mit teuren Regeln für die Abwasserentsorgung um den Schlaf bringt! Aber die EU ist mehr als das.

Man mag über die Entscheidung des Osloer Komitees den Kopf schütteln. So wie vor drei Jahren, als die gebildeten aber zurückhaltenden Mitglieder tatsächlich meinten, Barack Obama den Friedensnobelpreis zusprechen zu müssen. Damals führte er als US-Präsident noch zwei Kriege, im Irak und in Afghanistan. Auch wirkt es immer ein wenig verlegen, wenn eine Institution, oder noch schlimmer: eine Behörde den Preis zugesprochen bekommt, so wie Ärzte ohne Grenzen oder die Internationale Atomenergiebehörde, Preisträger 1999 und 2005.

Und dann stellen wir uns mal den EU-Präsidenten José Manuel Barroso bei der Verleihung des Preises vor. Da waren Michail Gorbatschow oder Nelson Mandela vielleicht doch die leidenschaftlicheren Geehrten.

Aber trotz all dieser Vorbehalte gegen die Entscheidung aus Oslo, zeigt das Komitee viel mehr Weitblick, als wir ihm nach einigen fragwürdigen Entscheidungen der vergangenen Jahre bereit sind zuzugestehen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2012 regt zumindest zum Nachdenken und Reden über Europa und die europäische Idee an. Die Norweger haben eben dieses Mal nicht für Freiheitskämpfer in Bolivien und russische Menschenrechtler votiert, sondern für eine europäische Institution, die unser aller Alltag betrifft. Niemand von uns muss das Monstrum in Brüssel lieben. Aber die Idee dahinter verdient unsere Wertschätzung. Es ist die Vision vom friedlichen Miteinander solcher Nationen, die sich im letzten Jahrhundert bekämpft haben. Soll Herr Barroso sich den Preis abholen und sich damit schmücken. Die Ehrung gilt dem Traum, den wir seit über 60 Jahren leben - ganz bewusst oder auch ohne davon zu wissen.

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