Schwäbische Zeitung: Es geht nicht um die Herdprämie - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Was unterscheidet den Kuhhandel vom Kompromiss? Es ist die rationale Nachvollziehbarkeit. Wer die Praxisgebühr verschachert gegen das Betreuungsgeld, kann nicht erwarten, dass die Menschen das logisch finden - also handelt es sich um einen faulen Kompromiss namens Kuhhandel. Allerdings: Die Diskussion um das Betreuungsgeld weist für sich genommen längst irrationale Züge auf. Es müsste eigentlich verdächtig stimmen, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften, Grüne, Rote, Gelbe sowie Teile der Schwarzen nahezu unisono gegen das als Herdprämie verunglimpfte Betreuungsgeld sind.
Worum geht es eigentlich? Möglicherweise nicht so sehr um 100 oder 150 Euro pro Monat. Ein Kita-Platz kostet - nebenbei bemerkt - ein Vielfaches. Und diese 100 oder 150 Euro werden in den seltensten Fällen das Familieneinkommen so aufbessern, dass eine Frau deswegen ihr Kind in den ersten drei Lebensjahren selber betreuen und erziehen kann. Aus dieser Warte betrachtet, ist das Betreuungsgeld in der Tat nicht sehr hilfreich und eher von symbolischem Wert. Aber genau darum dreht sich in Wirklichkeit diese leidige Diskussion: um Symbolik. Die Gegner wollen eine Botschaft unters Volk streuen, die da lautet: Wer sein Baby zu Hause selber versorgt, der verhält sich wirtschaftsschädlich, egoistisch und so gar nicht emanzipatorisch.
Eigenartigerweise sind die meisten Kinderärzte ebenfalls unisono der Meinung, dass die Mutter für ihr Kind in den ersten drei Lebensjahren eminent wichtig sei. Dass es für die Entwicklung des Kindes prägend sei, am Anfang bei der eigenen Mutter sein zu können. Diese Stimmen gehen im großen Chor der Herdprämiengegner fast unter. Die Folge ist, dass junge Frauen heute schon eine Art Rechtfertigungsdruck verspüren, wenn sie sich dafür entscheiden, drei Jahre lang für ihr Kind da zu sein.
Und das ist schlicht eine gesellschaftliche Fehlentwicklung. Sie läuft darauf hinaus, dass Frauen keine echte Wahlfreiheit mehr haben - völlig unabhängig von 150 Euro mehr oder weniger.
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