Schwäbische Zeitung: Trost von Gauck und Kretschmann - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Ein evangelischer Pastor und ein katholischer Lehrer taten bei der Gedenkveranstaltung in Titisee-Neustadt ihre Arbeit: Sie hörten zu, trösteten, gaben Orientierung, beteten mit den Menschen, die an dem kalten Samstagmorgen im Münster St. Jakobus in Neustadt zusammengekommen waren, weil ein Verwandter, ein Freund oder ein Kollege ums Leben gekommen war. Bundespräsident Joachim Gauck, er war zu DDR-Zeiten evangelischer Pastor, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Lehrer und bekennende Katholik, wurden für die vielen von der Brandkatastrophe im Schwarzwald betroffenen Menschen zu Stützen: Sie gaben Halt und Kraft.
In dieser Situation versuchen sich Gauck und Kretschmann ebenso wenig wie die Bischöfe Robert Zollitsch und Ulrich Fischer an Erklärungen für das Unerklärliche. Denn das kriminaltechnische Untersuchungsergebnis zur Frage, warum eine Gasflasche in einer Behindertenwerkstatt stand, mag wichtig sein, gibt aber keine Antwort auf die vielen Fragen, die die Menschen bewegen.
Politiker wie Bundespräsident Gauck und Ministerpräsident Kretschmann braucht unser Land gerade jetzt. Gestandene Frauen und Männer, die auch mal an Mikrophonen und Reportern vorbei gehen können, ohne dabei automatisch Sprechblasen abzusondern. Politiker, die es aushalten, dass sie zwar gefragt sind, aber in diesem Fall nichts zu sagen haben. Und die das auch zugeben können. Sie sind die Gegenentwürfe zu den blassen Politiker-Technokraten, die in einem Atemzug vom Klimaschutz über die Euro-Finanzkrise bis hin zu demographischen Wandel alles erklären und den politischen Gegner gleich noch mit abbügeln.
Die Erkenntnis bleibt nach der Tragödie von Titisee-Neustadt - nicht nur als Hinweis in die Politik hinein, sondern auch an Kirchen, Wirtschaft, Medien: Wähler, Gläubige, Kunden und Leser wünschen sich stärker denn je Glaubwürdigkeit und Authentizität. Das sind Werte, die von den jeweils Handelnden Rückgrat, Glauben und Überzeugung erfordern.
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