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Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Gaucks Europarede: Die Ohnmacht der Worte

Leutkirch (ots)

Joachim Gauck ist ein wortmächtiger Mann. Er ist ein Intellektueller, er verfügt über große Lebenserfahrung, die ihn gelehrt hat, dass Frieden, Freiheit, Demokratie, Wohlstand keine Selbstverständlichkeiten sind. Als Bundespräsident ist er ein Glücksfall - diese Zwischenbilanz steht. Wenn so einer über Europa redet, dann hat er etwas zu sagen, und was er sagt, das sollte Gewicht haben. Joachim Gauck hat diese Erwartung am Freitag nicht enttäuscht - und dennoch ist er an seine Grenzen gestoßen. Warum? Weil die Macht der Worte begrenzt ist, gerade die Macht der richtigen Worte.

Von vernünftigen Menschen ist zum Thema Europa alles gesagt, was es zu sagen gibt - vielleicht schon zu häufig. Wiederholungen werden irgendwann überhört, wenn sich in der Sache wenig oder nichts bewegt. Genau darin liegt das Problem. Es gibt vernünftige Europa-Skeptiker, ihre Mahnungen sind bekannt. Es gibt die Politiker, die unbeirrt den europäischen Gedanken beschwören, ihre Argumente sind bekannt. Es gibt die Europa-Pragmatiker, sie sagen seit Langem laut und deutlich, woran gearbeitet werden muss. Der Bundespräsident hat am Freitag versucht, alles zu berücksichtigen und zusammenzuführen. Er konnte und kann aber nicht bewirken, dass seinen Worten Taten folgen. Seine gute Rede stand deshalb nicht für die Macht der Worte, sondern für deren Ohnmacht.

Eine Gefahr für Europa lauert darin, dass die Unvernünftigen, die Demagogen, immer besser gehört werden, dass ihnen irgendwann die Macht der Worte zufällt. Dann würde die Idee eines geeinten Europas seelenlos. Nationale und wirtschaftliche Egoismen bekämen wieder höchste Priorität, die Solidargemeinschaft würde bedeutungslos. In Ansätzen ist dieser Weg leider schon beschritten.

Joachim Gauck hat wirklich noch einmal alles gesagt, was zu sagen ist. Aber die Zeit der großen Reden und Beschwörungen ist abgelaufen. Der Stillstand der europäischen Idee muss überwunden werden. Die jüngere Generation von Europäern ist gefordert - Europa muss ihnen Herzensangelegenheit werden.

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