Schwäbische Zeitung: Die Pläne treffen die Falschen - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Steigen wir kurz auf das Gerechtigkeitsgesäusel der wahlkämpfenden Volksparteien ein. Die Sozialdemokraten haben die Reichen identifiziert, um aus ihrer schwächelnden Kampagne doch noch eine Erfolgsgeschichte machen zu können. Denn in Umfragen wird der SPD Kompetenz zugesprochen, wenn es darum geht, soziale Schieflagen zu erkennen. Was liegt also näher für die kühl rechnenden Politstrategen, als sich als Anwälte der kleinen Leute zu gerieren und die vermeintlich Privilegierten ins Visier zu nehmen.
Dumm nur, dass nach den SPD-Plänen nicht nur die absoluten Spitzenverdiener mehr überweisen sollen, sondern aufgrund des Steuerverlaufes auch schon Facharbeiter und Angestellte mehr zahlen werden, die etwas über dem Normalverdiener-Durchschnitt auf ihr Konto gebucht bekommen. Noch dümmer ist aber, dass eine Unions-Ministerpräsidentin auf den Zug aufspringt, in dem es sich die Grünen bereits bequem gemacht haben, und einer noch deutlicheren Einkommensteuererhöhung das Wort redet. Eine Stimme der ökonomischen Vernunft fehlt, und leider ist die FDP mit ihrer jahrzehntelangen, ermüdenden Steuersenkungsrhetorik nicht mehr die Partei, der in diesem Punkt ernsthaft Gehör geschenkt wird. Das ist schade, denn die Richtung, in die der Zug rattert, ist definitiv die falsche.
Im Jahr 2012 hat der deutsche Staat 616 Milliarden Euro kassiert. Diese enorme Summe sollte ausreichen, auch einen aktiv handelnden Staat zu finanzieren. Niemand will extreme Unterschiede zwischen Arm und Reich wie in Übersee. Wir sind von solchen Zuständen aber auch weit entfernt, aller Kanzlerkandidaten-Rhetorik zum Trotz. Würde der Spitzensteuer-Fetisch durchgehen, zahlten Ledige ab 64000 Euro demnächst mehr. Das sind keine Großverdiener. Es wäre der Mittelstand in unserer Region, der zur Kasse gebeten würde. Und steigenden Belastungen begegnet etwa ein Handwerksbetrieb mit weniger Investitionen. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dürften klar sein. Mit Gerechtigkeit hat das wenig zu tun.
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