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Schwäbische Zeitung: Peinliches und Schrilles vor dem NSU-Prozess - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Ordnung muss sein. Damit ist ein sprichwörtlicher deutscher Wesenszug umschrieben - der nicht immer zur Tugend gerät. Stures Ordnungsstreben kann blind und gefühllos machen. Dann wird es zur Untugend.

Das Oberlandesgericht München hat formal alles korrekt gemacht. Die Pressekarten für den NSU-Prozess sind streng nach Antragseingang vergeben worden, Sonderrechte für Besucher gibt es nicht - und seit Donnerstag auch keine Antworten mehr auf entsprechende Anfragen. Alles korrekt, alles in Ordnung - aber halt nur formal.

Es ist weder ein Justizskandal noch eine von böser Absicht getragene Entscheidung, dass türkische Medien keinen Zugang zu dem Verfahren haben. Aber es ist kleinlich und peinlich. Dasselbe gilt für die Diskussion um einen reservierten Platz für den türkischen Botschafter in Deutschland. Der will die Hinterbliebenen der Mordopfer begleiten, was nicht nur sein gutes Recht, sondern fast seine Pflicht ist. Nicht die Ordnung, aber Anstand und Höflichkeit würden es gebieten, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Empfehlenswert wäre das auch, um türkischen Verschwörungstheoretikern ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen.

Und damit wären wir beim zweiten Teil der Affäre. Mancher Ton, der da aus der Türkei nach Deutschland dringt, ist schrill bis unverschämt. Erdogans Regierung und manch treu ergebener Journalist weiden die Mordserie der Rechtsextremisten für innenpolitische Zwecke aus. Die deutsche Justiz wird unter Generalverdacht gestellt, Zweifel an einem rechtsstaatlichen Verfahren genährt, um zu signalisieren: Einziger echter Beschützer der Türken in Deutschland ist die Türkei. Und die Türkei - das ist Regierungschef Erdogan.

Ja, die deutsche Polizei hat über viele Jahre kläglich versagt. Aber es kann nicht einen einzigen rationalen Zweifel daran geben, dass das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und ihre Helfer in den Händen einer unabhängigen Justiz liegt, die rechtsstaatliche Grundsätze peinlichst beachten wird. Herr Erdogan ist nicht berühmt dafür, dass ihm die zuhause ein Herzensanliegen sind.

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