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Schwäbische Zeitung: Der eingelullte Wähler - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Wir nähern uns der heißen Wahlkampfphase. Nach dem 22. September wird es je nach Ausgang ein paar Wochen dauern, bis die neue Bundesregierung steht. Wer immer dann das Sagen hat, sollte zügig aktiv werden und regieren. Denn seit geraumer Zeit wird Deutschland bestenfalls verwaltet. Das ist noch nicht einmal der aktuellen Regierung anzulasten. So sind die Spielregeln der Bundesrepublik.

Ein ähnliches Muster des Dahinschleppens erleben wir immer wieder, wenn in verschiedenen Bundesländern binnen weniger Monate hintereinander neue Landtage gewählt werden. Häufig gibt es nur kurze Zeiträume, in denen die Wahlkampfmanager nicht das Sagen haben. Und für diese Strategen ist es ein Graus, im Wahlkampf unpopuläre Entscheidungen verteidigen zu müssen. Für Regierungsparteien gilt es dann, möglichst keine Kontroverse zu starten. Auf keinen Fall sollen die Themen der Opposition das Tempo der Kampagne vorgeben.

Die SPD gruselt es noch richtig, wenn sie an 2009 denkt. Da war es einer gelassenen Kanzlerin gelungen, überhaupt nicht auf die Argumente oder Positionen der Sozialdemokraten einzugehen. Ein echter Streit - also ein wirklicher Wahlkampf - wurde vermieden. Eine Themensetzung fand nicht statt. Die SPD-Anhänger wurden eingelullt und jene, die etwa wegen der Agenda-Politik Gerhard Schröders von ihrer Partei enttäuscht waren, blieben zu Hause.

Wahlforscher nennen diese Taktik asymmetrische Demobilisierung. Dieses Jahr hat Angela Merkel ähnliches vor. Auch sie kann sich auf einmal eine Menge von Maßnahmen vorstellen, die Sozialdemokraten und Grüne energisch fordern, wie etwa die Mietpreisbremse. Ansonsten lässt sie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Politik bestimmen. Sei es der Euro, sei es die Homo-Ehe. Bald kommen die Sommerferien. Sommerfrische und Streit passen nicht zusammen. Das ist ärgerlich, denn ein engagierter Wahlkampf könnte ein gutes Mittel gegen Wahlmüdigkeit und Bürgerverdrossenheit sein.

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