Schwäbische Zeitung: Das Gegenteil von mutig - Kommentar
Ravensburg (ots)
Natürlich ist Thomas Roth eine gute Wahl, schließlich ist der 61-Jährige einer der profiliertesten Journalisten des WDR. Und doch ist es schade, dass er sogenannter Erster Moderator der "Tagesthemen" wird. Zwar soll Carmen Miosga (44), die seit sechs Jahren am "Tagesthemen"-Mikro einen respektablen wie frischen Dienst versieht, Roth gleichgestellt sein. Dennoch wirkt die Szene seltsam. Nämlich so, als ob die junge Miosga eben doch einen älteren Kollegen wie Roth nötig hat, um das ARD-Nachrichten-Dickschiff in ruhigem Fahrwasser zu halten. Denn eines will man im Sender auf keinen Fall: zu viel Aufregung, zu viel Neues, zu viel Wirbel. Für all dies ist Roth auch nicht bekannt. Sondern für seine unaufgeregte, hochprofessionelle Art - die vor allem jüngere Zuschauer vermutlich langweilig nennen würden.
Roths Wahl ist zudem eine Absage an den internen Verjüngungsprozess, den sich die ARD-Sender eigentlich verordnet hatten. Dabei wäre es doch so einfach gewesen: Der 22 Jahre jüngere Ingo Zamperoni, der sich in Jahren nächtlicher "Tagesschau"-Moderation mehr als empfohlen hat, stand bereit, in Tom Buhrows Fußstapfen zu treten. Wie Roth sagt man ihm Glaubwürdigkeit und eine große Beliebtheit bei den Zuschauern nach. Und dennoch hat der 39-Jährige das Nachsehen und bleibt auf der Ersatzbank sitzen. Zwar soll er "verstärkt eingesetzt" werden, wenn Roth und Miosga nicht können - was genau das heißt, darüber schweigt man sich in Köln jedoch aus.
In drei Jahren geht Roth in den Ruhestand. Vielleicht, so orakelte man nun im Sender, darf Zamperoni dann ran. Ein schlechter Trost für ihn. Und ein noch schlechterer für die Zuschauer, die sich schon jetzt eine mutigere Entscheidung und frischeren Wind bei den "Tagesthemen" gewünscht hätten.
Das einzig Gute: Roth kehrt New York den Rücken und wird nicht extra zur Moderation auf Gebührenzahler-Kosten eingeflogen. Vielleicht sollte sich Zamperoni auf seine frei werdende Stelle bewerben? Denn vor Roth kam auch Tom Buhrow - jetzt WDR-Intendant und somit eine entscheidende Instanz in Sachen Personalfragen - einst über eine Korrespondentenstelle in den USA an den begehrten Titel "Mister Tagesthemen".
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