Schwäbische Zeitung: Eltern wollen mehr Hilfe - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Dass an einem Tag zwei so widersprüchliche Rechtsansprüche in Sachen Kinderbetreuung in Kraft treten, zeigt, wie zerrissen die deutsche Gesellschaft in diesem Punkt ist. Ab Donnerstag gilt nicht nur der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Ein- bis Zweijährige, sondern auch das Recht auf das sogenannte Betreuungsgeld, wenn man sein ein- bis zweijähriges Kind zuhause versorgt. Ersteres kommt dabei die Gesellschaft deutlich teurer. Der Bund zahlt jährlich etwa 15 Milliarden Euro für Kitas. Daneben nehmen sich die geschätzten 1,2 bis zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld recht gering aus.
An dieser enormen Differenz lässt sich deutlich ablesen, wie viel Eltern mit ihrer Erziehungsarbeit eigentlich leisten und wie wenig diese Arbeit honoriert wird. Das liegt daran, dass das Kinderhaben oft noch als Privatvergnügen betrachtet wird. Mit dem Recht auf Kitaplätze wird nun ein erster Schritt in die richtige Richtung unternommen: Die Verantwortung für unsere Kinder muss auch die Gesellschaft als Ganzes mittragen.
Bislang wurde versucht, diese Aufgabe allein auf die Eltern abzuwälzen und das mit finanziellen Transferleistungen wie Kindergeld oder Ehegattensplitting zu kompensieren. Doch was junge Eltern wirklich wollen und auch brauchen, zeigt sich jetzt beim Ansturm auf die bei Weitem nicht ausreichenden Kitaplätze: Die Eltern wollen kein Geld, sondern Unterstützung. Sie wollen, dass die Gesellschaft ihnen ihre Hand reicht und sie wieder in ihrer Mitte willkommen heißt, sie wieder mitmachen lässt.
Der Kitaausbau ist dabei nur ein Anfang. Auch die übrigen gesellschaftlichen Akteure, wie Kommunen und Arbeitgeber, werden mitziehen müssen. Aber vor allem auch die Väter: Sie stehen mehr denn je in der Pflicht, sich an den Erziehungsaufgaben zu beteiligen. Nur so kommt es zu einer echten Wahlfreiheit. Denn erst, wenn das Kinderkriegen für die Mütter keine Grundsatzentscheidung mehr zwischen Familie oder Beruf zu werden droht, dann steigt auch wieder die Geburtenrate.
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