Schwäbische Zeitung: Es geht um die Macht - Leitartikel
Ravensburg (ots)
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den Tag der Deutschen Einheit dazu genutzt, eine grundlegende Föderalismusreform zu fordern. Wer an der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik interessiert ist, sollte den Regierungschef eines starken Bundeslandes beim Wort nehmen. Denn die gewünschte Änderung des Grundgesetzes ist nicht leicht zu haben. Interessen aus allen Lagern und Bundesländern treffen dabei aufeinander. Kurzum: Es geht um die Macht zwischen der Bundesregierung und den 16 Bundesländern. Bundestag gegen Bundesrat, häufig auch Bundesland gegen Bundesland.
Die sachlich gebotenen Fusionsversuche von kleineren Ländern zu einem größeren sind bislang krachend gescheitert. Etwa die Idee eines Nordstaates oder die Gründung eines Gebildes Berlin-Brandenburg. In der Regel wird dann der Föderalismus, also die bundesstaatliche Ordnung, als Heiligtum erklärt, das eine Erfolgsgarantie für die Zukunft darstelle. Deshalb sei der Hinweis gestattet, dass wahrscheinlich außer den Bremern niemand so richtig erklären kann, warum diese chronisch verschuldete Stadt nicht etwa in Niedersachsen aufgehen sollte. Und was für Bremen gilt, gilt auch für andere Bundesländer.
Aber so weit ist die Debatte ohnehin noch nicht gediehen. Jetzt geht es vorrangig um die Bildungs- und Finanzpolitik in den kommenden zehn Jahren. Kooperationsverbote zwischen Bund und Ländern an den Hochschulen oder die Neuregelung des Länderfinanzausgleiches nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II sind konkrete Stichpunkte.
Viel wird beim Thema Föderalismus davon abhängen, welche Parteien die nächste Bundesregierung stellen werden. Sollte es zu der mehrheitlich erwarteten Großen Koalition zwischen Union und SPD kommen, dann könnte ein solch umfängliches Reformvorhaben tatsächlich angegangen werden. Schon 2005 hatte die Große Koalition ein Reformpaket erarbeitet, das dann 2006 in beiden Parlamentskammern mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet wurde.
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