Schwäbische Zeitung: Leitartikel zur Sterbehilfe - Keine Geschäfte mit dem Tod
Ravensburg (ots)
Eine kleine Vorbemerkung: Niemand, der sich an dieser Diskussion um Sterbehilfe in Deutschland beteiligt, macht es sich leicht oder schielt auf Schlagzeilen. Es geht um den Tod und die menschliche Würde, und so ist die Debatte über die Sterbehilfe von großer Ernsthaftigkeit geprägt. In den Parteien fechten Befürworter wie Gegner von strikten oder liberalen Gesetzen im wahrsten Sinne des Wortes gewissenhaft um ihre Positionen. Deshalb wird erst Mitte 2015 mit einem Gesetz gerechnet.
Nun sorgt Bundestags-Vizepräsident Peter Hintze für Aufregung in der Union: Der frühere Pfarrer kann sich tatsächlich für Menschen in einer aussichtslosen Lage Sterbehilfe vorstellen. Parteifreund und Gesundheitsminister Hermann Gröhe sieht dies wie viele andere Christdemokraten anders. Er schließt eine medizinische Hilfe bei der Selbsttötung kategorisch aus und will den Menschen durch Palliativmedizin die Angst vor einem schmerzhaften und unwürdigen Tod nehmen.
Der Sozialdemokrat Franz Müntefering hat in dieser Zeitung Anfang des Jahres eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen, die vor einer gesetzlichen Regelung beantwortet werden müssen. Für ihn ist es bedenklich, wenn der Staat Voraussetzungen schüfe, die Selbsttötungen zur gesellschaftlichen Normalität machen könnten. Eine Gesellschaft, in der jeder das Leben individualistisch abhaken könne, macht Müntefering Angst.
Anders ausgedrückt: Müntefering befürchtet eine Kommerzialisierung des Todes, den Tod als Geschäftsmodell. Abwegig ist dieses Szenario in einer alternden Gesellschaft nicht. Alte, todkranke Menschen könnten sich als unnütz verstehen und deshalb den Freitod wählen, um etwa den Kindern das Erbe zu bewahren. Um solche Horrorszenarien zu verhindern, muss in der Debatte die Würde des menschlichen Lebens ins Zentrum gestellt werden. Gefordert sind Parteien, Kirchen wie jeder einzelne. Wer intensive Hilfe und Pflege am Ende seines Lebens braucht, hat damit noch lange nicht seine Menschenwürde verloren.
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