Schwäbische Zeitung: Kein Thema für Parteipolitik
Ravensburg (ots)
Darf und soll es gewerbsmäßige Sterbehilfe geben? Diese Frage verneinen fast alle Abgeordneten im deutschen Bundestag. Doch der Bedarf zu einer tiefgründigeren Diskussion ist da. Fast jeder hat sich ein Urteil gebildet, auf Grund von Erfahrungen mit Sterbenden in der eigenen Familie oder Umgebung. Viele suchen in den erlebten oder erfahrenen Geschichten von großen Qualen und Not nach dem richtigen Weg zwischen Barmherzigkeit und Verbrechen. Es gibt kaum ein Thema, bei dem die Zweifel so groß sind, bei dem Abgeordnete sich gegenseitig so gut zuhören. Der Bundestag plagt sich redlich mit dem Thema.
Die CSU plagt sich nicht, sondern preschte bereits vor: Organisierte Sterbehilfe unter Strafe stellen und auch ärztliche Beihilfe verbieten. So weit, so gut für eine christliche Partei. Doch viele Fragen werden auf diese Weise nicht beantwortet. Warum überhaupt soll Sterbehilfe ins Strafrecht aufgenommen werden? Geschäftstüchtige Sterbehelfer werden schnell Schlupflöcher finden. Ärzten ist die Beihilfe zum Suizid in weiten Teilen der Republik ohnehin per Berufsrecht untersagt.
Sind nicht andere Fragen wichtiger? Viele fordern doch nur deshalb Selbstbestimmung bis zum Tod und den Zugang zu Sterbehilfe, weil sie Angst vor zu großen Schmerzen haben, vor einem als unwürdig empfundenen Ende. Die Ablehnung von Sterbehilfe wird deshalb nur dann überzeugend, wenn diese Angst genommen wird, wenn die Situation Schwerkranker und Sterbender weiter verbessert wird. Die meisten Menschen, die sich einen schnellen Tod wünschen, wollen nicht sterben, sie wollen nur nicht (länger) leiden. Der Antrag um den Unionsabgeordneten Brand fordert deshalb zu Recht die gleichzeitige Stärkung der Palliativmedizin und der Hospize.
Die Tür für organisierte Sterbehilfe zu öffnen, könnte bedeuten, den Druck auf Alte und Kranke, die anderen nicht zur Last fallen wollen, zu erhöhen. Das wäre dann auch das Gegenteil von Selbstbestimmung bis zum Tode.
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