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Schwäbische Zeitung: Leitartikel: Frieden ist nicht selbstverständlich

Ravensburg (ots)

Für die Demonstranten, die in der Osterzeit im Jahre 1958 zu Hunderttausenden auf die Straße gingen, um gegen die Stationierung von atomaren Sprengköpfen in Deutschland zu demonstrieren, war der Krieg nichts Abstraktes. Sie hatten es selbst erlebt, dass Nationalismus, Rassismus und Großmannssucht Millionen von Menschen Leid und Tod brachten. Die damaligen Supermächte ließen sich freilich von den Forderungen der Pazifisten nicht beirren. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sie vom Prinzip der atomaren Abschreckung abrückten und abrüsteten.

Das Ende des Ost-West-Konflikts ließ die Kriegsangst hierzulande schwinden - der Gedanke, dass Frieden etwas Normales sei, wurde zum Lebensgefühl der jüngeren Generationen. Eigentlich ein schönes, ein beruhigendes Gefühl, das Regierungen und Bürgern viel wert sein sollte. Doch sie tun wenig dafür, den Frieden zu erhalten. Zu den Kriegen im Nahen Osten kommt die stetig wachsende Bedrohung durch Nordkorea - und die immer heftigeren Zerwürfnisse mit Russland. Im Westen von Europa brechen die USA als verlässlicher Partner weg. Es scheint so, als sei die überwunden geglaubte Großmannssucht wieder zur Triebfeder der politischen Akteure geworden - wider alle politische Vernunft. Und selbst in der Europäischen Union, die sich gerne als geschlossene Wertegemeinschaft präsentiert, sind die Gräben so tief, dass rationale Lösungen, wie im Falle der gescheiterten Flüchtlingsverteilung, nicht mehr möglich sind.

Auch in diesem Jahr werden an Ostern wieder Menschen in Deutschland für Frieden demonstrieren. Im Vergleich zu 1958 werden es nur wenige sein, die unbeirrt an ihrem Ziel einer besseren Welt festhalten - auch wenn der Blick in diese Welt nicht sehr ermutigend ist. Man kann diese Menschen natürlich einfach belächeln. Aber vielleicht wäre es an der Zeit, darüber nachzudenken, dass der Frieden in Europa eben kein Selbstläufer ist, wenn sich Regierungschefs von nationalen Egoismen und Machtgelüsten treiben lassen. Und wenn immer mehr Menschen jenen vertrauen, die mit den scheinbar einfachsten Lösungen daherkommen.

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