Schwäbische Zeitung: Ravensburgs Oberbürgermeister stoppt Messerattacke durch Flüchtling und warnt vor Hysterie
Ravensburg (ots)
Nachdem er die Messerattacke eines Flüchtlings aus Afghanistan in der Ravensburger Innenstadt persönlich gestoppt hat, hat Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU) zu Besonnenheit aufgerufen. Der "Schwäbischen Zeitung" sagte Rapp am Samstag, der Angriff sei ein "absoluter Schock" für die Ravensburger und es werde Zeit brauchen, dass sich die Lage beruhige. "Es wird ein mulmiges Gefühl bleiben." Die Polizei arbeite aber hochgradig professionell und es gebe keinen Grund zu glauben, dass Ravensburg ein unsicherer Ort sei. "Das wäre hysterisch." Der mutmaßliche Täter hatte am Freitag nachmittag auf zwei Syrer und einen Deutschen eingestochen und zwei dabei erheblich verletzt. Rapp war zufällig in der Nähe. Ihm sei nicht klar gewesen, welche Gefahr er sich ausgesetzt habe, als der Mann mit gezücktem Messer vor ihm stand. Als er ihn angeschrien habe, das Messer runterzunehmen, habe er rein instinktiv gehandelt. "Ich habe das nicht bewusst entschieden", sagte der Oberbürgermeister. "Ich wusste ja nichts von den Taten vorher und was genau passiert war." Der Mann, der im Restaurant gegen den Mann gekämpft habe, sei viel mutiger gewesen. Der mutmaßliche Täter sei nach Rapps Kenntnisstand psychisch erkrankt. Rapp warnte vor Verallgemeinerungen und fügte hinzu: "Eine Tat wird von einem Individuum begangen. Zu sagen, das war ein Flüchtling und daraus zu schließen, dass alle Flüchtlinge Verbrecher sind, ist so als würde ich behaupten, dass alle blauen Autos immer im Haltverbot stehen, weil ein blaues Auto im Parkverbot steht."
Das Interview im Wortlaut:
Herr Rapp, wie haben Sie den Angriff gestern erlebt und wie geht es Ihnen heute damit?
Währenddessen habe ich das alles gar nicht so wahrgenommen. Es waren ja nur wenige Sekunden und meine Rolle war eine kleine Rolle. Mir ist danach erst, wie man schwäbisch so schön sagt, das Zäpfle runtergegangen.
Die Situation hätte auch für Sie gefährlich werden können. Es wusste ja niemand, wie der mutmaßliche Täter reagieren würde.
Das war mir in dem Moment gar nicht so klar. Das Polizeipräsidium hat noch bei mir angerufen, ich war da am Abend noch lange. Die Beamten haben auch gesagt, dass das eine gefährliche Situation war. Aber ich wusste ja nichts von den Taten vorher und was genau passiert war. Ich hatte davon nichts mitbekommen. Der Mann, der im Restaurant gegen den Mann kämpfte, war viel mutiger. Aber ja, das Messer wies in meine Richtung und zeigte auf mich und ich konnte nicht davon ausgehen, dass er das wirklich ablegen würde.
Wie überlegt war Ihr Handeln in diesem Moment?
Das war instinktiv. Ich habe das nicht bewusst entschieden. Nachdem mir Leute zugerufen hatten, dass da jemand mit einem blutigen Messer herumläuft, war das einzige, was ich überlegt habe: Ich renne jetzt dahin, vielleicht sind da Menschen, die Hilfe brauchen und verletzt sind, vielleicht muss ich den Rettungsdienst rufen. Mit dieser Absicht bin ich losgelaufen - und dem Mann mit dem Messer direkt in die Arme.
Sie haben eine außergewöhnliche Doppelfunktion: Einerseits sind Sie Zeuge, andererseits als Oberbürgermeister einer der wichtigsten Ansprechpartner für den Staat und die Ermittler in diesem Fall. Wie hat sich das gestern ausgewirkt?
Das stimmt, erstmal war ich Zeuge und habe eine ganz normale Aussage gemacht. Aber ich konnte gar nicht viel dazu sagen, so viel hatte ich nicht gesehen. Aber währenddessen haben schon Innenminister Strobl und Manne Lucha bei mir angerufen. Strobl hat zugesagt, dass es eine erhöhte Polizeipräsenz geben wird während dieses Wochenendes und ich kann ihn jederzeit anrufen, wenn wir Unterstützung brauchen.
Was bedeutet der Messerangriff für die Menschen in Ravensburg und die Stadt?
Das ist ein absoluter Schock für die Ravensburger und die Menschen aus der Region. Wir haben gerade samstags viele Gäste aus dem Umland. Der Vorfall bedeutet einen herben Rückschlag. Wir hatten ja schon öfter Diskussionen um den nördlichen Marienplatz. Die erhöhte Polizeipräsenz über den ganzen Sommer war spürbar, die hat uns gutgetan. Das wirft uns sehr zurück.
Wie haben Sie am Abend der Tat die Stimmung in der Stadt erlebt?
Ich war noch kurz auf der Kunstnacht, bevor ich bei der Polizei war, und dort haben viele zwar darüber geredet, die Stimmung war aber nicht gedrückt und auch nicht von Angst bestimmt. Sie war so, wie man sie bei einer Kunstnacht erwartet, die Leute flanierten durch die Stadt. Aber wir wissen natürlich nicht, wie viele Leute zuhause geblieben sind, weil sie sich nicht sicher fühlten.
Was glauben Sie: Welche Folgen hat dieses Ereignis für Ravensburg?
Es wird sich beruhigen, aber das wird Zeit brauchen. Und es wird ein mulmiges Gefühl bleiben. Dem können wir nur entgegenwirken durch hohe Polizeipräsenz an solchen Plätzen, auch durch Prävention wie aufsuchende Sozialarbeit, also das gezielte Ansprechen solcher Personen, die sich an den betreffenden Plätzen bewegen. Mir ist eins ganz wichtig: Es gibt keinen Grund zu glauben, dass Ravensburg ein unsicherer Ort ist. Das wäre hysterisch. Aber zu behaupten, es gibt keine Gefahren, wäre widersprüchlich zu dem, was passiert ist.
Die Debatte um den Marienplatz wird jedenfalls neu aufflammen und sicher auch politisch diskutiert werden.
Damit rechne ich und diese Debatte ist gerechtfertigt. Wir wissen, dass es da ein Problem gibt. Dem werden wir uns stellen und sehen, was wir tun können.
Kommen Überwachungskameras in Frage?
Das möchte ich nicht ausschließen.
Rechnen Sie in der Folge des Übergriffs mit Demonstrationen oder so genannten Mahnwachen aus dem rechten Spektrum?
Ich glaube und hoffe nicht, dass so etwas geplant ist. Man muss doch eins verstehen: Eine Tat wird von einem Individuum begangen. Zu sagen: Das war ein Flüchtling und daraus ist zu schließen, dass alle Flüchtlinge Verbrecher sind, ist so als würde ich behaupten, dass alle blauen Autos immer im Halteverbot stehen, weil ein blaues Auto im Parkverbot steht. Die Polizei ermittelt hochgradig professionell und schnell, und nach meinem Kenntnisstand war das die Tat eines psychisch erkrankten Menschen.
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