"Vom Klatschen allein kann niemand leben"
Firmengruppen SeniVita und Dr. Wiesent setzen mit eigenem Haustarifvertrag deutliches Zeichen in der Pflegebranche
Bayreuth (ots)
Mit der zweiten Coronawelle ist der Stellenwert von Pflegekräften erneut in den Blickpunkt gerückt. Dass Wertschätzung sich auch in einer angemessenen Entlohnung ausdrücken muss, zeigt nicht zuletzt der Beschluss eines bundesweiten Tarifvertrags in der Pflege. Diesem Ziel sind die Firmengruppen SeniVita und Dr. Wiesent bereits einen großen Schritt voraus. Gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di verabschiedeten sie im Sommer dieses Jahres als einer der ersten privaten Träger im Pflegebereich einen eigenen leistungsfähigen Haustarifvertrag. Eine Vorreiterrolle, die gerade in diesen Zeiten von großer Bedeutung ist, wie Firmengründer Dr. Horst Wiesent im Interview erläutert.
Was waren Ihre Beweggründe, einen eigenen Haustarifvertrag zu gestalten?
Dr. Horst Wiesent: Dieser Haustarif steht schon sehr lange auf unserem Unternehmenswunschzettel. Dass er nun im Coronajahr 2020 schließlich eingeführt werden konnte, ist aus meiner Sicht mehr als passend. Die vergangenen Monate haben deutlich wie nie gezeigt, wie wichtig die Arbeit von Pflegekräften ist und ebenso, wie groß der Nachholbedarf in Deutschland im Hinblick auf deren Arbeitsbedingungen. Vom Klatschen allein kann niemand leben. Was wirklich nötig ist, um Pflegekräfte zu gewinnen und zu halten, ist in erster Linie eine bessere Bezahlung. Alle preisen den Wert der Pflege aber lassen diesem Bekenntnis keine Taten folgen. Auch der kommende bundesweite Tarifvertrag in der Pflege ist ein wichtiger, aber mehr als überfälliger Schritt. Wir haben lange und konsequent an unserem Haustarif gearbeitet und freuen uns daher umso mehr, dass wir jetzt bereits in der Umsetzungsphase angekommen sind.
Welche Vorteile bietet Ihr Tarifvertrag im Detail?
Dr. Horst Wiesent: Was das Grundgehalt betrifft, orientiert sich unser Haustarif direkt am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TVöD. Das bedeutet, dass auch bei tariflichen Veränderungen das Gehalt unserer Mitarbeiter automatisch angepasst wird. Bei allen weiteren Komponenten liegen wir jedoch weit über Tarif. Zum Beispiel bei den Zuschlägen für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder in der Nacht. Aber auch bei den finanziellen Vorteilen zur langfristigen Absicherung unserer Mitarbeiter wie einer Jahressonderzahlung, der betrieblichen Krankenzusatzversicherung und der betrieblichen Altersvorsorge. Unsere Mitarbeiter haben Anspruch auf Zuschüsse zum Krankengeld, zu Chefarztbehandlungen oder bei Zahnersatz. Bei der betrieblichen Altersvorsorge erreicht man nach rund 30 Jahren Firmenzugehörigkeit ein Rentenniveau, das nahezu dem letzten Nettogehalt entspricht. Wer bei uns gearbeitet hat, ist also im Ruhestand eine richtig gute Partie.
Sie sprechen von besserer Bezahlung. Was heißt das beispielsweise für eine Pflegefachkraft in konkreten Zahlen?
Dr. Horst Wiesent: Eine examinierte Pflegefachkraft kann allein nach der Entgelttabelle bis zu 3.699 Euro brutto verdienen. Rechnet man dazu die finanziellen Vorteile unseres Vertrags, also aus der Jahressonderzahlung, der betrieblichen Altersvorsorge und auch der betrieblichen Krankenversicherung, entspräche das einem Maximalgehalt von rund 5.000 Euro brutto. Deutlich mehr also als der reine Tariflohn. Doch wer gute Pflegekräfte möchte, muss diese eben auch angemessen bezahlen.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Pflegewohnkonzept?
Dr. Horst Wiesent: Kurz gesagt, die allerwichtigste Rolle. Ohne gute und motivierte Mitarbeiter, die mit Herz und Seele dabei sind, unsere Kunden optimal zu pflegen und zu versorgen, würde das beste Konzept nicht funktionieren. Unser Ansatz ist modern und zukunftsweisend. Wir bieten pflegebedürftigen Senioren die Möglichkeit, auch bei steigendem Pflegebedarf selbstbestimmt im eigenen Apartment zu leben, dank individueller Pflegeleistungen, die ganz nach Bedarf genutzt werden können. Ein innovatives Modell, das engagierte Pflegekräfte braucht, die dahinter stehen.
Bei der Einstufung des Grundgehalts werden zum Beispiel auch Zusatzqualifikationen berücksichtigt. Welche Fortbildungs- bzw. Karrieremöglichkeiten haben Ihre Mitarbeiter?
Dr. Horst Wiesent: Neben einer besseren Bezahlung und Absicherung hat dieser Punkt bei uns schon immer oberste Priorität. Unseren Mitarbeitern stehen alle Wege offen, wenn sie es möchten - nicht zuletzt dank unserer eigenen Berufsfachschule für Pflege. Seit 2000 werden hier jährlich rund 60 Schüler aus der ganzen Welt zu Pflegefachkräften ausgebildet und das Angebot umfasst auch Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für die Absolventen und unsere bestehenden Mitarbeiter. Ein Beispiel: Wer sich nach seiner Pflegeausbildung noch zur Gerontofachkraft weiterqualifiziert, erwirbt dadurch automatisch die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung und könnte anschließend sogar ein Medizinstudium beginnen. Uns ist es wichtig, angehenden Pflegekräften diese spannenden Karrierechancen aufzuzeigen, aber eine faire Vergütung bereits während der Ausbildung ist ebenso unerlässlich. Unser Haustarif inklusive aller Benefits gilt daher auch für unsere Pflegeschüler, was innerhalb der Branche keineswegs selbstverständlich ist. Aber schließlich wollen wir junge Menschen überzeugen, sich für einen Pflegeberuf zu entscheiden und zu bleiben. Eine bessere Bezahlung gehört dabei ohne Zweifel zu den entscheidenden Argumenten.
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