Neues Normal am Gasmarkt: Gas bleibt bedeutend, aber langfristige Strategie fehlt
Berlin (ots)
Gas war auch im Jahr 2024 der zweitwichtigste Energieträger Deutschlands. Damit hat sich die Rolle von gasförmigen Energieträgern weiter gefestigt, die auch in einem künftig klimaneutralen Energiesystem eine bedeutende Rolle spielen werden. Mit dem Zusammenspiel von Elektronen und Molekülen lassen sich Klimaneutralität, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stärke in Einklang bringen. Schnell umsetzbare Maßnahmen sind dafür essenziell: "Die Ausschreibung neuer Kraftwerke, die Ermöglichung von CCS sowie politische Unterstützung langfristiger Importverträge sind entscheidend, um Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zu vereinen", betonte Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft auf einer Pressekonferenz zum Auftakt der Energiemesse "E-World" in Essen.
Der Gasverbrauch in Deutschland stieg im Jahr 2024 um rund drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 835 TWh (Vorjahr: 813 TWh) und machte 25,9 Prozent (Vorjahr 24,5 Prozent) des Primärenergieverbrauchs aus. Hierbei lieferte der wichtigste Verbrauchssektor Impulse: Der Absatz in die Industrie ist auf 301 TWh um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen (2023: 278 TWh), liegt aber aufgrund des Produktionsrückgangs der energieintensiven Industrien weiterhin knapp 19 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau.
Elektrolyse im Aufwind
Die Umsetzung der Wasserstoffstrategie zeigt Wirkung: Die angekündigten Vorhaben zum Aufbau von Elektrolysekapazitäten ergeben eine geplante Erzeugungsleistung von 11,3 GW. Damit wurde das Ziel der Bundesregierung von 10 GW erstmals übertroffen. Die Leistung der installierten Elektrolyseure ist um 83,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 110 MW gestiegen.
Es braucht weitere politische Unterstützung, um den Hochlauf des Wasserstoffmarktes weiter voranzutreiben, so Timm Kehler: "Die Tendenz im Wasserstoffbereich ist sehr erfreulich, allerdings klafft noch eine sehr große Lücke zwischen realisierten und geplanten Projekten. Beschleunigte, unbürokratische Genehmigungsverfahren sowie stabile Nachfrage von Wasserstoff durch Klimaschutzverträge und Leitmärkte sind erforderlich, um aus den geplanten Projekten auch reale Elektrolyse-Leistung entstehen zu lassen."
Strommix 2024: Deutsche Stromerzeugung sinkt, Gas als Stabilitätsfaktor
Im Jahr 2024 sank die deutsche Stromproduktion um rund drei Prozent, während der Anteil von Gas an der Stromerzeugung leicht zunahm. Insgesamt wurden 77 Terawattstunden Strom aus Erdgas erzeugt, 33 GW an Gaskraftwerksleistung stand dafür im Jahresschnitt zur Verfügung. Zugleich sank der Beitrag von Kohle- und Braunkohlekraftwerken erheblich.
Im ersten Jahr nach der Abschaltung der Kernkraftwerke wurde die Bedeutung von Gaskraftwerken als Absicherung gegen Dunkelflauten deutlich: In Kalenderwoche 45, als Sonne und Wind nur 13,9 Prozent zur Stromerzeugung beitrugen, lieferten Gaskraftwerke 26,8 Prozent des verbrauchten Stroms. Mit dem fortschreitenden Kohleausstieg steigt die Bedeutung dieser Kraftwerke weiter - zusätzliche Anlagen sind nötig.
Hierfür brauche es rasch klare politische Vorgaben für Ausschreibungen: "Wir empfehlen, kurzfristig und ohne Verzug erste Ausschreibungen für wasserstofffähige Kraftwerke nach den im vergangenen Jahr vom BMWK vorgeschlagenen Regelungen durchzuführen und zügig einen Kapazitätsmarkt zu schaffen - etwa nach belgischem Vorbild", erklärte Kehler.
CCS als Standortfaktor der Industrie und Basistechnologie für Wasserstoff
Zusätzlich zu Investitionen in neue Technologien und Infrastrukturen ist Carbon Capture and Storage (CCS) ein essenzieller Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Damit die Technologie effizient genutzt werden kann, ist eine zeitnahe Ratifizierung des London-Protokolls erforderlich, um CO2-Exporte ins Ausland zu ermöglichen. Ebenso muss das Kohlenstoffspeichergesetz schnell umgesetzt werden, um Speicherprojekte in Deutschland voranzutreiben.
"Die scheidende Regierung ist gescheitert, CCS zu ermöglichen. Die weiterhin fehlende Legalisierung blockiert den Zugang für die energieintensive Industrie zu einer kostengünstigen Dekarbonisierungslösung und behindert die Entwicklung von blauem Wasserstoff. Der vorliegende Gesetzentwurf sollte eins zu eins von der neuen Regierung übernommen und umgesetzt werden, um ein schnelles Signal gegen die Wirtschaftskrise zu senden", betonte Kehler.
Für stabile Energiepreise: Gas-Importe langfristig organisieren
Nach den extremen Preissteigerungen in Folge des Ukraine-Krieges stabilisierte sich der europäische Großhandelspreis 2024 zwischen 30 und 40 Euro pro Megawattstunde. Dennoch blieb im Laufe des Jahres eine steigende Preistendenz erkennbar, bedingt durch das Ende des Ukraine-Transits, höhere Verbräuche in der EU und einen stärkeren Wettbewerb um die begrenzten LNG-Kapazitäten. Der US-Referenzpreis befindet sich im Bereich von drei bis fünf Dollar und liegt somit deutliche unter dem europäischen Gaspreis.
"Die Gaspreise haben sich auf einem neuen Niveau stabilisiert - weit unter den Extremwerten der Krisenjahre. Doch in Europa sind sie noch immer rund drei- bis viermal so hoch wie in den USA, was insbesondere die Industrie schmerzhaft spürt. Mit langfristigen Lieferverträgen könnte Europa von den günstigeren Preisen der Erzeugerländer profitieren. Dafür braucht es jedoch politische Rückendeckung", sagte Kehler. "Die politischen Signale der letzten Jahre - insbesondere die Debatte über einen möglichen Gasausstieg und vermeintliche Überkapazitäten - haben bei internationalen Lieferanten den Eindruck erweckt, dass langfristige Verträge mit Deutschland keine Zukunft haben. Die Folge: Mehr kurzfristige Beschaffung führt zu höheren Kosten - und damit steigenden Strompreise, da diese weiterhin stark vom Gaspreis abhängen."
Die Inbetriebnahme neuer LNG-Terminals an der Nord- und Ostseeküste hat die Versorgungssicherheit verbessert. Über deutsche Terminals wurden acht Prozent der gesamten Erdgasimporte abgewickelt - ein Anstieg um einen Prozentpunkt. Den größten Teil des für Deutschland beschafften LNG importierten jedoch weiterhin die Häfen in den Niederlanden und Belgien.
Gas als Dekarbonisierungs-Perspektive im Wärmemarkt
Gas bleibt ein zentraler Energieträger im Wärmemarkt: Rund 58 Prozent der neu installierten Heizsysteme basieren weiterhin auf Gas. Im Bestand werden 49 Prozent der deutschen Haushalte mit Gas beheizt. Moderne Gasheizungen bieten dabei flexible Umrüstungsoptionen, etwa für den Wasserstoffbetrieb oder als Hybridlösung mit erneuerbaren Energien. Auch mit einer Beimischung von 15 Prozent Biomethan ist eine Installation be-ziehungsweise ein Weiterbetrieb ab 2029 bis 2035 möglich. Danach mit 30 Prozent und ab dem Jahr 2040 mit 60 Prozent.
Insgesamt ist der Wärmemarkt nach dem Rekordjahr 2023 infolge politischer Unsicherheiten und einer zurückhaltenden Förderpolitik massiv eingebrochen. Im Jahr 2024 wurden nur noch 712.500 Heizgeräte verkauft - ein Rückgang um 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Der drastische Markteinbruch zeigt, dass Verunsicherung und widersprüchliche Regelungen des Heizungsgesetzes die Wärmewende ausbremsen. Die bestehenden Mängel des GEG müssen dringend behoben werden, die Politik darf aber nicht noch einmal eine so deutliche Bremsspur im Markt hinterlassen", betont Kehler.
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