Finanztip Verbraucherinformation GmbH - ein Unternehmen der Finanztip Stiftung
Studie der Finanztip Stiftung offenbart große Defizite bei praktischem Finanzwissen in Deutschland
Berlin (ots)
- Jeder Zweite weiß nicht, wann Dispozinsen beim Girokonto anfallen
- Jüngere, Geringverdiener und Frauen haben größere Wissenslücken
- Unter 30-Jährige haben hohe Affinität zu Aktien, sind dabei aber zu unbedarft
Egal ob bei Krediten, Versicherungen oder bei der Geldanlage - wer Finanzprodukte verstehen will, benötigt dafür praktisches Finanzwissen. Das ist jedoch bei einem großen Teil der Bevölkerung nur mangelhaft ausgeprägt, wie eine aktuelle repräsentative Studie der Finanztip Stiftung zeigt. Bei der groß angelegten Untersuchung wurden mehr als 3.000 Menschen im Alter von 16-69 Jahren zu konkreten alltäglichen Finanzentscheidungen befragt. Umgerechnet in Schulnoten, hätte dabei rund jeder Zweite mit einer Vier minus oder schlechter abgeschnitten.
Insgesamt bekamen die Studienteilnehmer zwölf Fragen zu alltäglichen Finanzthemen wie etwa Versicherungen, Kredite oder Aktien gestellt. "Wir haben genau solches Finanzwissen erfragt, das nötig ist, um ganz alltägliche Finanzprodukte richtig zu beurteilen", sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztip. "Wir wollten etwa wissen, wann bei einem Girokonto Dispozinsen anfallen." Das Ergebnis: Jeder Zweite weiß nicht, dass Dispozinsen sofort anfallen. Rund 25 Prozent sind stattdessen der Meinung, dass der Dispo kostenlos ist, wenn das Konto am Monatsende wieder ausgeglichen wird. Wer alle Fragen richtig beantwortet hat, konnte maximal 12,5 Punkte erreichen. Mehr als die Hälfte schaffte jedoch maximal 6 Punkte - in der Schule wäre das eine Vier minus oder schlechter.
Erfahrungswissen macht den Unterschied
Die Studie zeigt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen schlechter abschneiden als andere. So erreichen nur rund 38 Prozent der unter 30-Jährigen 6,5 Punkte oder mehr. Zum Vergleich: Bei den über 30-Jährigen beträgt der Anteil rund 52 Prozent. Beim Einkommen ist es ähnlich: Von den Haushalten, die im Monat nur bis zu 1.500 Euro zur Verfügung haben, erreichen lediglich rund 30 Prozent mindestens 6,5 Punkte, bei Haushalten mit mehr als 3.800 Euro sind es rund 69 Prozent. "Erfahrunsgwissen macht einen echten Unterschied", erklärt Tenhagen. "Wer mal einen Kredit aufgenommen hat, kennt sich eher mit Zins und Tilgung aus, als diejenigen, die sich noch nie Geld von der Bank geliehen haben." Jüngere stehen meist am Anfang ihres Berufslebens und beginnen erst, größere finanzielle Entscheidungen zu treffen. Und wer wenig Geld zur Verfügung hat, der hat sich oft noch nicht mit Sparprodukten für die Altersvorsorge beschäftigt.
Unter 30-Jährige setzen vor allem auf Aktien
Auffällig ist, dass die unter 30-Jährigen zwar grundsätzlich weniger über Finanzen wissen als die älteren Jahrgänge, sie aber beim Thema Aktien punkten. So wissen fast 54 Prozent der Jüngeren, dass ein weltweiter Aktienfonds grundsätzlich ein geringeres Risiko darstellt als die Investition in eine Einzelaktie oder in einen Fonds mit Unternehmen aus nur einem Land. Bei den über 30-Jährigen wissen das nur rund 46 Prozent. "Die unter 30-Jährigen sind mit stetig sinkenden Zinsen und einem langanhaltenden Boom an den Aktienmärkten groß geworden", erklärt Tenhagen. "Hinzu kommen neue Apps wie Trade Republic, die den Zugang zu den Börsen nicht nur günstiger, sondern auch einfacher machen." Allerdings sind die Jüngeren zu unbedarft im Umgang mit Aktien. So würden rund 38 Prozent auch dann in Aktien investieren, wenn sie wissen, dass sie ihr Geld nach zwei Jahren wieder benötigen. "Das kann gutgehen, birgt aber ein Verlustrisiko, wenn die Kurse genau dann in den Keller gehen."
Frauen wissen weniger über Finanzen als Männer
Die Studie zeigt auch, dass Frauen im Vergleich zu Männern weniger über Finanzen wissen. So erreicht fast jede vierte Frau nur maximal drei Punkte. Bei den Männern sind das nur rund 20 Prozent. Auf der anderen Seite kommen mehr als die Hälfte der Männer auf mehr als 6 Punkte. Bei den Frauen schaffen das nur knapp 43 Prozent. "Auch hier spielt geringeres Erfahrungswissen eine Rolle, denn noch immer verdienen Frauen weniger Geld als Männer", sagt Tenhagen. "Hinzu kommt, dass sich im traditionellen Rollenbild der Mann auch um die Finanzen kümmert. Dieses Rollenbild verliert zwar immer mehr an Bedeutung, doch auch jüngere Studien zeigen, dass Finanzangelegenheiten in vielen Haushalten noch immer Männersache sind."
Weitere Informationen
Für die Studie "Finanzwissen in Deutschland" wurden im April 2021 mehr als 3.000 Menschen von der Innofact AG im Auftrag der Finanztip Stiftung befragt. Die detaillierten Ergebnisse erhalten Sie auf Anfrage oder können kostenfrei unter https://www.finanztip-stiftung.de/finanzwissen-studie/ heruntergeladen werden.
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