Schultze & Braun GmbH & Co. KG
Pressemitteilung - Stichtag 1. Juli: Wie Unternehmen bei den Pfändungsfreigrenzen und erhaltenem Kurzarbeitergeld finanzielle Risiken vermeiden
Ein Dokument
Stichtag 1. Juli: Wie Unternehmen bei den Pfändungsfreigrenzen und erhaltenem Kurzarbeitergeld finanzielle Risiken vermeiden
- Arbeitgeber sollten die neuen Pfändungsfreigrenzen ab dem 1. Juli 2024 und eine kürzlich veröffentlichte BGH-Entscheidung zur Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie beachten
- Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten – finanzielle Haftung für einen beträchtlichen Betrag pro Arbeitnehmer möglich
- Administrative und finanzielle Vorbereitung für Kurzarbeitsprüfungen notwendig – sehr hohe Zurückzahlungs-Wahrscheinlichkeit für zumindest einen Teil des erhaltenen Kurzarbeitergeldes
Achern / Nürnberg. Den 1. Juli sollten sich Unternehmen am besten jedes Jahr rot im Kalender markieren. Denn dieser Stichtag spielt gerade bei der Erhöhung der sogenannten Pfändungsfreigrenzen – also des Betrages, der bei Lohn und Gehalt eines Arbeitnehmers unpfändbar ist – eine große Rolle. Trotz der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung sind an diesem Tag zudem vor einem Jahr die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld zum 30. Juni 2023 ausgelaufen.
Dr. Elske Fehl-Weileder und Alexander von Saenger von der bundesweit tätigen Kanzlei Schultze & Braun erläutern, worauf Unternehmen bei der Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen und der Prüfung von erhaltenem Kurzarbeitergeld (siehe zweiter Teil dieser Pressemitteilung ab der Zwischenüberschrift „Enormer administrativen Aufwand und Vorlage zahlreicher Unterlagen“) achten sollten, um finanzielle Risiken zu vermeiden.
Pfändbar oder nicht pfändbar?
„Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“ – mit diesem Satz beginnt einer der bekanntesten Monologe der Literaturgeschichte. Der Satz aus Shakespeares Hamlet wird auch heutzutage oftmals in Situationen zitiert, die für jemanden von existenzieller Bedeutung sind. Finanziell gesehen von existenzieller Bedeutung ist für Arbeitnehmer der Betrag ihrer Einkünfte, der gesetzlich gesichert ist und – etwa im Fall einer Lohnpfändung oder einer Privatinsolvenz – nicht an die Gläubiger ausgezahlt werden darf. Verschuldete Arbeitnehmer sollen dadurch ein Mindesteinkommen zur Verfügung haben, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie zu decken. Der unpfändbare Betrag ist durch die Pfändungsfreigrenzen geschützt, die seit 2021 jährlich zum 1. Juli angehoben werden.
Im Umkehrschluss bedeutet das für Arbeitgeber, dass sie sich bei einer Pfändung des Einkommens eines Arbeitnehmers regelmäßig die Frage stellen müssen: „Pfändbar oder nicht pfändbar?“. „Besonders relevant ist die Antwort auf diese Frage jedes Jahr zum 1. Juli, wenn die neuen Pfändungsfreigrenzen beachtet werden müssen. Denn sonst drohen Unternehmen ein erheblicher Mehraufwand oder ein finanzieller Verlust“, sagt Dr. Elske Fehl-Weileder, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun. „Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten, und ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber für die Differenz haftbar machen – etwa, wenn er weniger als den durch die Pfändungsfreigrenzen geschützten Betrag überwiesen bekommen hat.“
Zurückfordern oder doppelt bezahlen
Der unpfändbare Betrag des Einkommens steigt zum 1. Juli 2024 um 89,47 Euro auf 1.491,75 Euro pro Monat. Überweist ein Arbeitgeber jedoch weniger als diesen Betrag – etwa auf Basis der bis zum 30. Juni geltenden Grenze von 1402,28 Euro – muss er die Differenz an den Arbeitnehmer nachzahlen. „Der Arbeitgeber kann die 89,47 Euro dann nur von den Pfändungsgläubigern zurückfordern, die sie zu viel erhalten haben. Der Betrag steht allerdings in der Regel in keiner Relation zum zeitlichen Mehraufwand für die Rückforderung“, sagt Fehl-Weileder. „Noch aufwändiger wird es, wenn der Differenzbetrag für mehrere Arbeitnehmer oder bei unterschiedlichen Gläubigern eingefordert werden muss. Die Alternative: Der Arbeitgeber verzichtet auf die Rückforderung und zahlt somit doppelt.“
Das mag bei 89,47 Euro noch zu verkraften sein – allerdings erhöht sich der pfändungsfreie Grundbetrag, wenn der Arbeitnehmer Unterhaltspflichten erfüllen muss. „Je nach Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen kann der Betrag zusätzlich um mehrere hundert Euro steigen. Im Fall der Fälle kann ein Arbeitgeber also für eine beträchtliche Summe haftbar gemacht werden. Umso wichtiger ist es daher, dass Arbeitgeber die neuen Pfändungsfreigrenzen beachten“, erläutert Fehl-Weileder.
BGH-Entscheidung zur Pfändbarkeit von Inflationsausgleichsprämie mit großer Bedeutung
Im Zusammenhang mit dem unpfändbaren Betrag ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH – Az. IX ZB 55/23) von großer Bedeutung, das Ende Mai 2024 veröffentlicht wurde. „Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass eine Inflationsausgleichsprämie als Teil des sogenannten wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens gilt und als solches pfändbar ist“, sagt Fehl-Weileder. Bei der Prämie handelt sich um eine freiwillige Zahlung eines Arbeitgebers, die einmalig oder in Teilbeträgen an Arbeitnehmer ausgezahlt werden kann. Laut einer Erhebung des ifo-Instituts von Anfang Januar 2024 hatten damals bereits knapp drei Viertel der deutschen Unternehmen ihren Beschäftigten einen Inflationsausgleich bezahlt.
„Bis zum 31. Dezember 2024 ist die Prämie bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialabgabenfrei“, so Fehl-Weileder. „Ob eine Inflationsausgleichsprämie pfändbar ist, ist im Einkommenssteuergesetz jedoch nicht ausdrücklich geregelt.“ Im Fall, um den es vor dem BGH ging, hatte ein insolventer Krankenpfleger beantragt, die Unpfändbarkeit seiner Prämie feststellen zu lassen und diese freizugeben. Der Antrag des Schuldners hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg und auch der BGH beantwortete die Frage „Pfändbar oder nicht pfändbar?“ zugunsten der Pfändbarkeit.
Enormer administrativen Aufwand und Vorlage zahlreicher Unterlagen
Bereits zum 30. Juni 2023 sind die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld ausgelaufen. Gerade während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen von diesen Erleichterungen profitiert und manches Unternehmen wäre ohne die Möglichkeit der Kurzarbeit sicherlich nicht mehr am Markt. Auch wenn die Kurzarbeit in der Industrie in Deutschland einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts von den Rekordständen der Corona-Zeit weit entfernt sei, liege sie derzeit auf erhöhtem Niveau. „Nach wie vor stehen die Überprüfungen von beantragtem und vorläufig bewilligtem Kurzarbeitergeld an, und darauf sollten sich Unternehmen administrativ und finanziell vorbereiten“, sagt Alexander von Saenger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. „Denn die grundsätzlich notwendigen Überprüfungen des Kurzarbeitergeldes sind mit einem enormen administrativen Aufwand und der Vorlage zahlreicher Unterlagen verbunden.
Die Prüfungen sind für die betroffenen Unternehmen zudem von besonderes großer Bedeutung, da die wirtschaftliche Erholung weiter auf sich warten lässt und die finanzielle Situation in so manchem Unternehmen alles andere als entspannt ist. Da können eventuelle Rückzahlungen von mitunter bereits vor mehreren Jahren erhaltenem Kurzarbeitergeld durchaus existenzgefährdende Auswirkungen haben“, sagt von Saenger.
Prüfung durch die Agentur für Arbeit: Besonderes Augenmerk auf fünf Punkte wichtig
Um für eine Prüfung durch die Agentur für Arbeit vorbereitet zu sein, sollten Unternehmen daher besonderes Augenmerk auf die nachfolgenden fünf Punkte legen und dafür sorgen, dass die entsprechenden Nachweise und Unterlagen vorliegen:
- Neu- und/oder Ersatzeinstellungen: Dokumentation und Nachweis der Notwendigkeit von Neu- und/oder Ersatzeinstellungen von Mitarbeitenden im Kurzarbeitergeldzeitraum.
- Besondere Abwesenheitszeiten: Dokumentation von besonderen Abwesenheitszeiten der Mitarbeitenden – beispielsweise bei Erkrankung, Covid-19-Quarantäne, Mutterschutz, Elternzeit, Urlaub oder Freistellung und von Änderungen dieser Abwesenheitszeiten im Laufe des Kurzarbeitergeldzeitraums.
- Geplante Arbeits- und Abwesenheitszeiten und Arbeitszeitmodell: Dokumentation und transparente Nachweise zu den konkreten Planungen der Arbeits- und Abwesenheitszeiten („Soll-Arbeitszeit“) und des angewendeten Arbeitszeitmodells.
- Tatsächliche Arbeits- und Kurzarbeitszeiten: Dokumentation und transparente Nachweise zu tatsächlichen Arbeits- und Kurzarbeitszeiten („Ist-Arbeitszeit“).
- Vermeidung der Kurzarbeit: Darstellung des Prüf- und Umsetzungsprozesseses zur Vermeidung der Kurzarbeit, insbesondere vorherige Urlaubsgewährung, Nutzung von Arbeitszeitkonten und betriebsinternen zumutbaren „Ausweichtätigkeiten“.
Das Kurzarbeits-Damoklesschwert hängt über Unternehmen jeder Größe
Die mögliche Rückforderung von Kurzarbeitergeld birgt für die betroffenen Unternehmen ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko“, sagt von Saenger. „Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen zumindest einen Teil des erhaltenen Kurzarbeitergeldes zurückzahlen muss, ist sehr hoch.“ Ein Grund dafür ist, dass das Kurzarbeitergeld gerade während der Corona-Pandemie zumeist ohne die üblicherweise im Vorfeld stattfindenden Beratungen der Agentur für Arbeit vorläufig bewilligt wurde. „Die Unternehmen haben die erhaltenen Gelder unmittelbar an die Arbeitnehmer in Kurzarbeit ausgezahlt, wodurch ihnen dieses Geld natürlich nicht mehr für eine Rückzahlung zur Verfügung stehen kann,“ sagt von Saenger, der bereits mehrere Unternehmen bei der Prüfung von Kurzarbeitergeld beraten und unterstützt hat. „Über so manchem Unternehmen hängt damit ein mitunter Millionen Euro schweres Kurzarbeits-Damoklesschwert.“
Kurzarbeitergeld in Milliardenhöhe – Prüfungen nicht auf die leichte Schulter nehmen
In Deutschland waren in der Spitze im April 2020 fast sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit hat in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 45,5 Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld auszahlen. „Diese Summe allein zeigt, welche finanzielle Herausforderung in der Prüfung des Kurzarbeitergeldes steckt“, sagt von Saenger. Hinzu kommt: Zum Großteil haben die Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden in der Pandemie in Kurzarbeit geschickt haben, immer noch oder schon wieder mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Grund sind hier nach der Überwindung der Pandemie etwa die Energiekrise und die damit verbundenen hohen Energiekosten, der inflationsbedingten Konsumzurückhaltung vieler Verbraucher oder der Transformation der Wirtschaft wie etwa vor allem im Automotive Bereich. Das Thema Kurzarbeit dürfte der deutschen Wirtschaft also noch eine ganze Weile erhalten bleiben – und Unternehmen tun gut daran, die Prüfung und mögliche Rückzahlung von erhalten Geldern nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen ______________________________________ Matthias Braun Pressesprecher Schultze & Braun GmbH & Co. KG Eisenbahnstraße 19-23 D-77855 Achern Tel: 0151/50766762 Mail: MBraun@schultze-braun.de