Mehr internationale Solidarität durch bessere Kommunikation, PI 17/2023
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Mehr internationale Solidarität durch bessere Kommunikation
Welche Strategien in der Krisenkommunikation können Menschen dazu bewegen, internationale Hilfsmaßnahmen zu unterstützen? Konstanzer Forschende untersuchen diese Frage am Beispiel internationaler Impfstoffsolidarität und geben Handlungsempfehlungen.
Was förderte die Bereitschaft der Bürger*innen während der COVID-19-Krise, sich für eine gerechte Verteilung von Impfstoffen auszusprechen? Mit diesem Thema beschäftigen sich die Konstanzer Politikwissenschaftler Dirk Leuffen, Pascal Mounchid und Max Heermann sowie der Konstanzer Soziologe Sebastian Koos in ihrer aktuellen Studie in npj Vaccines. Basierend auf den Daten einer großangelegten Umfrage zum Thema „COVID-19 und soziale Ungleichheit“ identifizieren die Forscher Kommunikationsstrategien, die Bürger*innen in Deutschland zu internationaler Impfstoffsolidarität bewegten. Zwei der resultierenden Handlungsempfehlungen: Um internationale Hilfsbereitschaft zu fördern, sollte künftige Krisenkommunikation deutlich die Risiken unsolidarischen Handelns benennen und Gemeinsamkeiten zwischen Gebern und Empfängern hervorheben.
Moralisch verwerflich und medizinisch riskant
Während der COVID-19-Krise haben Pharmaunternehmen und Regierungen weltweit zusammengearbeitet, um Impfstoffe zu entwickeln, zu produzieren und zu verteilen. Dennoch sicherten viele Regierungen die Impfstoffe vorrangig für die eigenen Bürger*innen. Die Folge: Vor allem in Ländern des globalen Nordens konnten schon bald nach Zulassung der ersten Impfstoffe flächendeckend Mehrfachimpfungen verabreicht werden. Vielerorts überschritten Impfstoffe sogar ungenutzt ihr Verfallsdatum. Die ärmsten Länder der Welt gingen zur selben Zeit nahezu leer aus.
Neben der Frage der moralischen Verwerflichkeit barg dieser „Impfnationalismus“ auch ein medizinisches Risiko, da eine unzureichende globale Impfquote die Herausbildung neuer, möglicherweise resistenter Virusvarianten potentiell begünstigte. Vor allem in demokratischen Ländern standen die Entscheidungsträger*innen daher bei der Verteilungsfrage vor einem Dilemma, so Leuffen: „Politiker waren hin- und hergerissen zwischen dem Rat von Expert*innen und der gleichzeitigen Verantwortlichkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung“. Doch welche Faktoren begünstigten solidarisches Verhalten?
Die Unentschlossenen können den Ausschlag geben
Um das herauszufinden, befragten die Forscher im Mai 2021 – zu diesem Zeitpunkt hatten erst 12 Prozent der Bundesbürger*innen eine zweite Impfung erhalten – 4000 deutsche Bürger*innen in einem Umfrage-Experiment: Die Teilnehmer*innen sollten angeben, wie hoch die eigene Unterstützung für eine Abgabe von Impfstoffen an ein hypothetisches Nehmerland ist. Sie erhielten dabei unterschiedliche Informationen zu dem Nehmerland selbst sowie zu den potentiellen Vorteilen solidarischen Handelns. Auf diesem Weg konnten die Forscher ermitteln, welche Art von Information die Impfsolidarität steigert, und konkrete Empfehlungen für eine solidaritätsfördernde Krisenkommunikation erarbeiten.
Die Forscher empfehlen, neben Hinweisen auf die humanitäre Not im Nehmerland den Eigennutz der Geberseite hervorzuheben. „Eine klare Darlegung der Gefahren von Impfnationalismus befördert die internationale Solidarität“, erklärt Leuffen und fährt fort: „Außerdem sollten kurzfristige Kostenerwägungen durch eine langfristige Gewinnorientierung ersetzt werden. Wurde im eigenen Land eine bestimmte Impfquote erreicht, ist eine Abgabe von Impfstoffen die sicherste Strategie“.
Ferner sei es förderlich, die Gemeinsamkeiten zwischen den Gebern und Empfängern von Hilfsmaßnahmen zu unterstreichen, so die Autoren. „Besonders unentschlossene Bürger sind empfänglich für diese Botschaften – und deren Stimme kann entscheidend sein, wenn es um die Schaffung gesellschaftlicher Mehrheiten für internationale Hilfsmaßnahmen geht“, schließt Leuffen.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: D. Leuffen, P. M. Mounchid, M. Heermann & S. Koos (2023) Mobilizing Domestic Support for International Vaccine Solidarity – Recommendations for Health Crisis Communication, npj Vaccines; doi: 10.1038/s41541-023-00625-x
- Studie untersucht am Beispiel der internationalen Impfsolidarität Faktoren in der Krisenkommunikation, die solidarische Haltungen begünstigen
- Zu den Autoren:
- Dirk Leuffen ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Politik und Mitglied des Erweiterten Vorstands des Exzellenzclusters „Politik der Ungleichheit“ an der Universität Konstanz
- Pascal M. Mounchid studiert Politik- & Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz
- Max Heermann ist Doktorand am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz
- Sebastian Koos ist Tenure Track Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Soziale Bewegungen und Principal Investigator am Exzellenzcluster „Politik der Ungleichheit“ an der Universität Konstanz
- Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie (Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“)
- Open Science: Der Artikel in npj Vaccines ist frei zugänglich. Die Replikationsdaten sowie die zur Analyse verwendeten Skripte können kostenlos im Harvard Dataverse heruntergeladen werden. Der vollständige Datensatz des Umfragenprogramms „COVID-19 und soziale Ungleichheit“ steht auf gesis zur Verfügung.
Kontakt: Universität Konstanz Kommunikation und Marketing Telefon: + 49 7531 88-3603 E-Mail: kum@uni-konstanz.de
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