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Das verzerrte Bild der Entfernungspauschale , PI 19/2023

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Das verzerrte Bild der Entfernungspauschale

Die Entfernungspauschale verstärkt laut Expertenverbänden die Einkommensungleichheit in Deutschland und trägt zu höherer Umweltbelastung bei. Die weitläufige Meinung in der Bevölkerung ist jedoch genau umgekehrt, so ein aktuelles Policy Paper Konstanzer Forscher und des Berliner Think Tank „Das Progressive Zentrum“.

Mehr als 20 Millionen Steuerzahler*innen in Deutschland nutzen die Entfernungspauschale in ihrer jährlichen Steuererklärung. Eine repräsentative Umfrage der Konstanzer Forscher Adrian Rinscheid und Marius Busemeyer legt nun ein verzerrtes Bild der Bevölkerung über die „Pendlerpauschale“ offen: Viele Deutsche halten sie für gerecht und ökologisch sinnvoll. Und das, obwohl sie laut Behörden und Expertenverbänden, wie Umweltbundesamt oder Öko-Institut e. V., zu einer erhöhten Umweltbelastung führt und Einkommensungleichheiten fördert. Das verzerrte Bild kann aber, so die Forscher in ihrem aktuellen Policy Paper, durch gezielte Informationen zu den tatsächlichen Nachteilen der Pauschale zumindest teilweise korrigiert werden.

Wirklichkeit und öffentliche Wahrnehmung

Die Entfernungspauschale fördert das Wachstum des Verkehrsaufkommens und den Trend zu langen Arbeitswegen, da lange Pendlerwege durch die Pauschale teils kompensiert werden. Das hat nachweislich nachteilige Auswirkungen auf Umwelt- und Klimaschutz. So hat das Umweltbundesamt beispielsweise ermittelt, dass die Pauschale jährlich zu Treibhausgasemissionen in Höhe von 4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent führt. Außerdem profitieren vor allem einkommensstarke Gruppen von der Entfernungspauschale. Einkommensschwache Gruppen zahlen hingegen weniger Steuern und landen seltener oberhalb des Werbungskostenpauschbetrags. „Die Entfernungspauschale verstärkt daher die Einkommensungleichheit bei gleichzeitiger Belastung des Staatshaushalts durch entgangene Steuereinnahmen in Milliardenhöhe“, erklärt Rinscheid.

In ihrer repräsentativen Umfrage mit 4500 Bürger*innen im August 2022 konnten Busemeyer und Rinscheid zeigen, dass die öffentliche Wahrnehmung jedoch eine andere ist: 43 Prozent der Deutschen glauben beispielsweise der Umfrage zufolge nicht, dass eine Abschaffung der Entfernungspauschale eine positive Auswirkung auf die Umwelt hätte. Dem gegenüber stehen nur knapp 17 Prozent mit gegenläufiger Meinung. Zum Thema „soziale Ungleichheit“ glauben laut Umfrage mehr als 46 Prozent der Deutschen, dass diese in Deutschland zunehmen würde, wenn die Pauschale abgeschafft wird. Nur etwas mehr als 12 Prozent gehen davon aus, dass eine Abschaffung nicht diese Auswirkung hätte.

Öffentliche Unterstützung aufgrund mangelnder Aufklärung

„Wir vermuten, dass die vorhandene öffentliche Unterstützung für die aktuelle Regelung auf mangelnden Kenntnissen der Bevölkerung über die Auswirkungen der Entfernungspauschale beruht“, so Busemeyer. Diese Annahme überprüften die Forscher in ihrer Umfrage mit einem Experiment: Die Befragten wurden zufällig in Gruppen unterteilt und bekamen, je nach Gruppe, unterschiedliche Hintergrundinformationen zur Entfernungspauschale. Anschließend wurde ihre Zustimmung für vier mögliche Reformoptionen zur Entfernungspauschale abgefragt.

Die Bereitstellung von Informationen zeigte einen deutlichen Effekt: Wurden die Befragten beispielsweise über die Verteilungswirkung der Entfernungspauschale informiert, waren sie eher für die Einführung eines einkommensunabhängigen „Mobilitätsgeldes”. Informationen zu den Umweltwirkungen der Entfernungspauschale gingen mit einer erhöhten Zustimmung für das skandinavische Modell einher. Dieses sieht das Absetzen von PKW-Fahrten nur dann vor, wenn es keine Alternative durch den öffentlichen Nahverkehr gibt. „Wir empfehlen daher, Informationen zur sozialen Ungerechtigkeit und den Nachteilen der Entfernungspauschale für die Umwelt in die öffentliche Debatte einzubringen und gleichzeitig Alternativmodelle bekanntzumachen, die diese negativen Auswirkungen abfedern“, so die Forscher in ihrem abschließenden Urteil.

Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Think Tank „ Das Progressive Zentrum“.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: A. Rinscheid & M. R. Busemeyer: Die heilige Kuh des deutschen Steuerrechts: Wie sich das verzerrte Bild von der Entfernungspauschale korrigieren ließe. Policy Paper No 10; 24. Februar 2023
  • Alle bisher veröffentlichen Policy Papers finden Sie unter: https://www.exc.uni-konstanz.de/ungleichheit/forschung/publikationen/policy-papers/
  • Marius R. Busemeyer ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“
  • Adrian Rinscheid ist Assistenzprofessor für Umweltpolitik an der Radboud University in Nijmegen (Niederlande) und Gastforscher am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz
  • Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie
Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
Telefon: + 49 7531 88-3603
E-Mail:  kum@uni-konstanz.de

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