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Universität Konstanz

70 Prozent der Deutschen haben geringes Vertrauen in den Sozialstaat , PI Nr. 33/2025

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70 Prozent der Deutschen haben geringes Vertrauen in den Sozialstaat

Neue Ergebnisse des Ungleichheitsbarometers – eine Studie des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz

Eine große Mehrheit der Deutschen hat geringes Vertrauen in den deutschen Sozialstaat – sowohl im Hinblick auf seine langfristige Finanzierbarkeit als auch die Gerechtigkeit der Verteilung sozialpolitischer Leistungen. Besonders gering ist das Vertrauen bei Menschen mit geringem Einkommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. Darüber hinaus schätzten v. a. Personen mit AfD-Wahlabsicht sowohl die ökonomische Ungleichheit als auch ihre politische Selbstwirksamkeit als äußerst gering ein.

Weiteren Ergebnissen der Umfrage aus dem Projekt „ Das Ungleichheitsbarometer“ zufolge nehmen vor allem Befragte mit geringem Einkommen eine Ungleichbehandlung im Bereich Rente wahr – möglicherweise aus Sorge vor Altersarmut. Das gleiche gilt für eine unfaire Behandlung im Bereich der Sozialleistungen. Im Gegensatz dazu empfinden Menschen mit hohem Einkommen vor allem die Behandlung in den Bereichen Bildung und sozialer Aufstieg als unfair. Befragte in Ostdeutschland wiederum sehen eine stärkere Ungleichbehandlung in den Bereichen Löhne, Rente und Repräsentation als Befragte in Westdeutschland.

„Bei der Rente gilt eigentlich das Prinzip der Äquivalenz zwischen eingezahlten Beträgen und ausgezahlten Renten. Trotzdem zeichnet sich hier ein hohes Maß an gefühlter Ungerechtigkeit ab“, so Marius R. Busemeyer, Professor für Politikwissenschaft und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. „Scheinbar gibt es eine weit verbreitete Unsicherheit und Unzufriedenheit mit der Performanz des Rentensystems, die die neue Bundesregierung zum Anlass nehmen sollte, das System durch langfristig orientierte Reformen nachhaltig abzusichern.”

Personen mit geringerem Einkommen haben signifikant geringeres Vertrauen

Die Ergebnisse zeigen: Mehr als 70 Prozent der Befragten haben ein (sehr) geringes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit, Fairness und langfristige Finanzierbarkeit des deutschen Sozialstaats. Dabei zeigen Personen mit geringerem Einkommen wiederum ein signifikant geringeres Vertrauen als Personen mit hohem Einkommen. Subjektive Wahrnehmungen haben somit – trotz nachgewiesener systematischer Verzerrungen – über objektive Faktoren hinaus einen maßgeblichen Einfluss auf Einstellungen zum Sozialstaat.

Geringere Einkommen führen zu geringerer Wahrnehmung politischer Selbstwirksamkeit

Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht den Untersuchungsergebnissen zufolge auch zwischen Ungleichheit und politischer Teilhabe. So schätzen vor allem Menschen, die beabsichtigten, bei der Bundestagswahl 2025 für die AfD zu stimmen, die ökonomische Ungleichheit als hoch, aber ihre politischen Einflussmöglichkeiten als äußerst gering ein. Menschen aus unteren Einkommensschichten und mit geringerer Bildung nehmen systematisch weniger persönliche Einflussmöglichkeiten auf die Politik wahr und sind weniger zuversichtlich, sich selbst aktiv in politische Debatten einbringen zu können. „Soziale Ungleichheit unterspült im Ergebnis das demokratische Fundament des deutschen Sozialstaats”, so Busemeyer. In Hinblick auf die Frage, inwiefern das politische System auf Wünsche und Bedürfnisse der Wähler*innen reagiert, ist die Skepsis hingegen bei allen Befragten stark ausgeprägt: 85 Prozent geben an, dass Politiker*innen sich nicht darum kümmern, was „einfache Leute” denken; 82 Prozent sind der Meinung, dass sich Politiker*innen nicht um einen engen Kontakt zur Bevölkerung bemühen.

Diese Presseinformation beruht auf einer Meldung des Berliner Think-Tanks Das Progressive Zentrum (DPZ).

Faktenübersicht

  • Originalpublikationen:
    1. Busemeyer, M., Jäger, F., Baute, S. (2025). „ Auf dem Abstellgleis? Zum Zusammenhang zwischen Ungleichheitswahrnehmungen und politischer Beteiligung”. Policy Paper Nr. 19. Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“, Universität Konstanz.
    2. Busemeyer, M. und Jäger, F. (2025). „Sinkendes Vertrauen, zunehmende Ungleichheit? Die Performanz des deutschen Sozialstaats im Spiegel der öffentlichen Meinung”. Working Paper Series. Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“, Universität Konstanz.
    3. Alle Policy Paper des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
  • Datenerhebung: Im Projekt „Das Ungleichheitsbarometer“ befragen die Wissenschaftler*innen alle zwei Jahre rund 6.000 Personen zu ihrer Wahrnehmung von Ungleichheit in den Bereichen Einkommen und Vermögen, Wohlfahrtsstaat, soziale Mobilität, Auswirkung des Klimawandels und politische Beteiligung. Die vorliegenden Daten wurden in einer Online-Befragung der über-18-jährigen Wohnbevölkerung in Deutschland zwischen dem 11.11 - 5.12. 2024 erhoben. Insgesamt nahmen 6.152 Befragte teil.
  • Autor*innen:
    1. Marius R. Busemeyer ist Professor für Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Vergleichende Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
    2. Felix Jäger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Das Ungleichheitsbarometer“ am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“an der Universität Konstanz.
    3. Sharon Baute ist Juniorprofessorin für Vergleichende Sozialpolitik sowie Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.
  • Die Veröffentlichung der Paper erfolgt in Zusammenarbeit zwischen dem Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz und dem Berliner Think-Tank Das Progressive Zentrum (DPZ).
  • Der Exzellenzcluster „ The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von Populist*innen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen.

Hinweis an die Redaktionen

Ein Bild kann im Folgenden heruntergeladen werden:

Bildunterschrift: Marius R. Busemeyer, Professor für Politikwissenschaften und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Foto: Ines Janas.

Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
E-Mail:  kum@uni-konstanz.de

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