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„Drei-Eltern-Prinzip“: Kindeswohl in der Praxis einer Trennungsfamilie

„Drei-Eltern-Prinzip“: Kindeswohl in der Praxis einer Trennungsfamilie
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Nicht nur „Erzeuger“ und „Zahlemann“, sondern vollwertiger Vater, d. h. auch rechtlicher Vater, das strebte ein Mann an und zog dafür nach Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gab dem Vater Recht und änderte die bisherige Rechtsprechung, Entscheidung vom 09.04.2024 AZ 1 BvR2017/21. Bisher galt im Abstammungsrecht der Grundsatz, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben durfte – „Zwei-Eltern-Prinzip“. Das höchste deutsche Gericht hat nun erklärt, dass ein Trennungskind sowohl einen „leiblichen Vater“ hat und einen „rechtlichen Vater“ haben kann und beide Väter wichtig für das Kindeswohl sind. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung zu tragen und dem leiblichen Vater mehr Rechte einzuräumen. Auch der Termin steht schon fest: Justizminister Buschmann eine Rechtsanpassung bis 30. Juni 2025 vorlegen. Die ISUV-Bundesvorsitzende Melanie Ulbrich begrüßte den Richterspruch: „Leibliche Väter dürfen nicht zu Zahlemännern und Erzeugern degradiert werden. Viele wollen Väter sein, bemühen sich um die Kinder. Ihnen müssen entsprechende Rechte eingeräumt werden.“

Auswirkungen des Richterspruchs

Gemäß dem BVerfG muss das Elternrecht des leiblichen Vaters neu gestaltet, ja erweitert werden. Abweichend vom bisherigen Recht (§ 1600 BGB) kann – muss - der Gesetzgeber die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Bisher war dann, wenn der rechtliche Vater zum Kind eine sozial-familiäre Beziehung hatte, dem leiblichen Vater die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft verwehrt. Der leibliche Vater war mehr oder weniger rechtlos gegenüber dem „eigenen“ Kind. Dies muss sich gemäß BVerfG ändern.

Monika Roth, Fachanwältin für Familienrecht und ISUV-Vorstandsmitglied betont: „Sicherlich kann ein Trennungskind dann auch drei Elternteile haben. Das Bundesverfassungsgericht hat rechtlich den Weg zu einer Dreierelternschaft neben der Doppelelternschaft eröffnet. Für unseren Verband ist es wünschenswert, dass ein Kind möglichst viele Verantwortungsressourcen ausschöpfen kann und die „Eltern“ zum Wohle des Kindes hierzu Verantwortungs- und Betreuungsvereinbarungen erarbeiten.“

Es stellt sich die Frage, wie dann die Rechte der drei Elternteile ausgestaltet sind: alle drei gleichberechtigt? Hierzu hat das BVerfG im 4. Leitzsatz bereits vorgegeben, dass der Gesetzgeber nicht allen drei Elternteilen gleiche Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind einräumen muss, sondern den drei Elternteilen unterschiedliche Rechte zusprechen kann.

Identitätsfindung fördern

Die UN-Kinderkonvention spricht in Artikel 8 dem Kind ein Recht zu, seine Identität zu kennen. Zwischen Zeilen sagen die Karlsruher Richter, der leibliche Vater kann nicht einfach auf die Seite geschoben werden, denn er ist wichtig für die Identitätsfindung des Kindes. Damit tritt Karlsruhe einem Trend entgegen, biologisch-naturwissenschaftliche Gegebenheiten einfach auf die Seite zu schieben, bestenfalls als nachrangig zu betrachten. Alle Erfahrungen zeigen, die Gene von Mutter und leiblichem Vater prägen Kinder. „Es ist wichtig für Kinder, dass sie wissen, welche Eigenschaften, Begabungen von Mutter und Vater sie haben, mit welchen sich identifizieren können, inwiefern Eltern Vorbild sein können – oder auch nicht“, merkt Melanie Ulbrich an.

Drei-Eltern-Prinzip

Die Idee eines „Drei-Eltern-Prinzips“ ist sehr altruistisch gedacht und kann im wohlverstandenen Interesse des Kindes und des Kindeswohls sein. Da ist der soziale, rechtliche Vater - dem in der Literatur schon mehrfach Denkmale gesetzt wurden - der mit der Mutter verheiratet ist oder in Partnerschaft mit ihr lebt. Da gibt es den leiblichen Vater, der von der Mutter getrennt ist und sein Kind weiterhin über alles liebt. „Wenn ein derartiges familiales Netz besteht, braucht man kein Gericht. Keiner wird einen Antrag auf Betreuung, kein Elternteil einen Antrag auf Ablehnung stellen“, weiß Ulbrich aus der Praxis des ISUV-Coachings.

Fragen

Was aber, wenn die Mutter den leiblichen Vater „bekriegt“, wenn der leibliche Vater den rechtlichen Vater „bekriegt“, vor Gericht mit Anträgen überhäuft? - Der leibliche Vater hat durch diesen Richterspruch vielleicht mehr Chancen, dass sein Betreuungsrecht berücksichtigt, mehr berücksichtigt, zumindest rudimentär berücksichtigt wird.

Wie steht es um das Kindeswohl? Wenn sich alle Drei verstehen, die Beziehungen tolerieren und fördern, ist das „Drei-Eltern-Prinzip“ für das Kind ein großer Gewinn. Aber was ist für das Kind, für das Kindeswohl erreicht, wenn zwischen den Elternteilen nur ablehnende, negative Emotionen bestehen und gar manchmal ausarten? Wird dann immer wieder vors Familiengericht gezogen in der Hoffnung, der Richter soll´s richten? Ist das im Sinne des Kindeswohls? Wie reagiert dann das Kind? Wird es schließlich einen Elternteil völlig ablehnen, nur um endlich Ruhe zu haben? – Die Erfahrung zeigt, dass dies gar nicht so selten der Fall ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine sozialpädagogisch sinnvolle Idee auf die familienrechtliche Agenda gesetzt, an der es zu arbeiten gilt, die aber nicht den Gordischen Knoten der Eltern-Kind-Entfremdung auflöst.

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