Studie zum Gigabitausbau in Baden-Württemberg 2024: Trotz Fortschritten im Ausbau Fördermittelbedarf von bis zu 3,9 Mrd. EUR für den Vollausbau
Düsseldorf (ots)
Gemeinsam mit dem Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg hat MICUS eine neue Studie vorgestellt, welche die Versorgungslage mit Glasfaser, die eigenwirtschaftlichen Ausbaupotenziale und den verbleibenden Fördermittelbedarf zur Erreichung der flächendeckenden Gigabitversorgung im gesamten Bundesland untersucht. Dabei legt die Studie einen Schwerpunkt auf die Veränderungen über die letzten zwei Jahre und baut auf der ursprünglichen Untersuchung von 2022 auf.
Die Ergebnisse sind klar: Trotz des eigenwirtschaftlichen Ausbaus und der hohen Förderpartizipation der letzten Jahre wird auch unter Berücksichtigung der erwarteten Ausbauaktivitäten ein erheblicher Förderbedarf von bis zu 3,9 Mrd. EUR verbleiben. Zwar konnten umfangreiche eigenwirtschaftliche Projekte tausende neue Glasfaseranschlüsse ergänzen und die Glasfaserquote in Baden-Württemberg auf 23,8 % steigern - während der Wert 2022 noch unter 12% lag. Jedoch führen Kostensteigerungen im Ausbau, eine weiterhin zurückhaltende Kundennachfrage und ein volatiles Marktgeschehen dazu, dass ein Vollausbau ohne Förderung weiterhin nicht gesichert ist.
Netzbetreiber, Tiefbauer, Generalunternehmer sowie Kreise und Kommunen sehen sich wachsenden Unsicherheiten gegenüber, seien es steigende Tiefbaukosten, Insolvenzen, eine sich verändernde Investitionsbereitschaft von Investoren oder unklare Förderziele. In der Konsequenz verbleibt eine hohe Anzahl förderbedürftiger Adressen in Baden-Württemberg - bis zu 248.000, rund 9% aller Adressen im Bundesland. Die Kosten für deren Erschließung wurden mittels einer von MICUS für das gesamte Land Baden-Württemberg durchgeführten FTTB-Netzplanung und basierend auf aktuellen Kostensätzen des Tiefbaus und der Materialbeschaffung ermittelt. Unter Fortführung der aktuellen Förderkulisse von Bund und Land ergibt sich bei einem landesseitigen Kofinanzierungsanteil von 40 % ein Fördermittelbedarf von rund 1,55 Milliarden Euro, bei einem Gesamtbedarf von rund 3,9 Milliarden Euro.
Die Studienautoren Herr Andreas Mescheder und Herr Andreas Spiegel von der MICUS Strategieberatung GmbH beantworten die wichtigsten Fragen zu den Studienergebnissen:
Frage: Baden-Württemberg ist ein wohlhabendes Land, was sich redlich um die Digitalisierung bemüht. Offenbar gibt es trotzdem noch einiges zu tun. Wie ist es um die aktuelle Versorgungslage bestellt??
Andreas Mescheder: Baden-Württemberg ist ein flächenmäßig großes Bundesland mit verschiedensten Herausforderungen - es war uns daher wichtig, mit einer Analyse der Versorgungslage und einer darauf aufbauenden Planung über das gesamte Bundesland eine detaillierte Bestandsaufnahme zu leisten. Dabei werden folgende Punkte klar: Landesweit verfügen bereits circa 90 % der Einheiten über eine Bandbreite von 100 Mbit/s. Insbesondere die urbanen Zentren und ihre umliegenden Agglomerationsräume sind bereits überwiegend flächendeckend mit 100 Mbit/s versorgt. Versorgungsdefizite hinsichtlich dieser Bandbreitengrenze liegen insbesondere im südlichen Bereich des Bundeslands vor. Vor allem in ländlich geprägten Kommunen verfügen teilweise unter 40 % der Einheiten über eine Bandbreite von 100 Mbit/s. Im Bereich der Gigabit-Anschlüsse zeigt sich ein ähnliches Bild: während die städtischen Ballungsräume bereits hohe Gigabit-Anteile aufweisen, zeigt sich ein Gefälle der Gigabit-Versorgung in Richtung ländlich geprägter Kommunen.
Frage: Der Bund, unterstützt von einigen Marktteilnehmern, hat die Fördermittel angesichts knapper Kassen zuletzt reduziert - ihre Studie deutet eher auf unvermittelt hohen Bedarf hin?
Andreas Spiegel: Die von der Bundesregierung argumentierte und von einigen Marktteilnehmern gefeierte Reduzierung der Fördermittel ist angesichts der Studienergebnisse nicht nur ein Schritt zurück, sondern ein Schritt in die falsche Richtung. Die Studie zeigt auf, dass es zur Erreichung der Ausbauziele nicht ausreichen wird, allein auf den Wettbewerb mit seinen Unwägbarkeiten zu setzen. Vielmehr muss die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen als eine stabilisierende Säule neben dem eigenwirtschaftlichen Ausbau mit gleicher Konsequenz wie bisher fortgeführt werden.
Andreas Mescheder: Dabei sollten die benannten Fördersummen nicht mit der Gießkanne, sondern vielmehr mit nötiger Präzision eingesetzt werden. Der Förderbedarf wird aber nicht dadurch gesenkt, dass Fördermittel reduziert werden - die Szenarioanalyse inklusive einer Planung zeigt klar auf, dass eine gewisse Anzahl von Adressen, in Baden-Württemberg ca. 9 %, in keinem Szenario wirtschaftlich zu erschließen sind.
Frage: Wie kann man den Wunsch nach gezieltem Einsatz und den ungebrochen hohen Bedarf denn am besten verbinden?
Andreas Spiegel: Für einen zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln bedarf es, neben ausreichend Mitteln, weniger Bürokratie in den Förderprojekten, einer klaren Zielvorstellung der Fördermittelgeber und sowohl auf Seiten der Netzbetreiber als auch auf Seiten der Kreise und Kommunen einer individuell richtigen Strategie für jeden regionalen Einzelfall; es gibt kein allgemein ausrollbares Einzelkonzept.
Frage: Gibt es zum Abschluss ein positives Fazit?
Andreas Mescheder: Viele Netzbetreiber treiben den Glasfaserausbau in Baden-Württemberg voran, rund ein Viertel aller Adressen sind heute schon mit Glasfaser erschlossen. Ihr Engagement ist ein gutes Zeichen, insbesondere für ländliche Regionen. Gleiches gilt für Kreise und Kommunen, die alle verfügbaren Mittel einsetzen, um den Glasfaserausbau zu beschleunigen . Das Land Baden-Württemberg ist bestrebt, die notwendigen Mittel bereitzustellen, um den Brückenschlag zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau gelingen zu lassen. Wir würden uns wünschen, dass beide Ansätze als zwei Seiten derselben Medaille gesehen und Grabenkämpfe zwischen den Marktteilnehmern zugunsten des erfolgreichen Gesamtausbaus beendet würden. Das Land Baden-Württemberg setzt hier richtige und wichtige Signale.
Vielen Dank für das Interview!
Die gesamte Studie zum Nachlesen unter: https://micus-duesseldorf.de/de/publikationen/studien
Über MICUS
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