Grünes Licht für Seilbahn zum Winterberg im Harz
Stadtrat Wernigerode stellt Weichen für Tourismusentwicklung in Schierke am Brocken
Brocken (ots)
Der kleine Ort Schierke am Fuße des Brockens im Harz, bis in die 50er Jahre einer der bekanntesten Wintersportorte Deutschlands, auch das "St. Moritz des Nordens" genannt, ist dem Ziel zukünftig wieder an diese Tradition anzuknüpfen, ein Stück näher gekommen: der Wernigeröder Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung am 28. März das Bebauungsplanverfahren für die geplante Seilbahn vom Ortsteil Schierke zum Winterberg und die Änderung des Flächennutzungsplans auf den Weg gebracht. Diese ist Voraussetzung dafür, dass mit den "Bergwelten Schierke" ein Ganzjahreserlebnisgebiet mit Pistenflächen, Gastronomiegebäude, Bus-Parkplätzen und Servicecenter am bestehenden Parkhaus "Winterbergtor" entstehen kann. Werden alle noch laufenden Verfahren planmäßig abgeschlossen, könnte die Seilbahn im Dezember 2020 eröffnen.
Mit der bis an die niedersächsische Landesgrenze hinaufführenden Bahn erhielte Schierke eine direkte Anbindung an das Ski- und Mountainbike-Areal am Wurmberg. Dadurch würde Schierke, dass bei Touristen bisher vor allem mit Wanderwegen, Loipen, dem Nationalpark Harz und dem Brocken punktet, zukünftig auch zu einer Destination für alpine Skifahrer, Snowboarder, Rodler und Mountainbiker. Die an der Mittelstation der Seilbahn geplante großzügige Holz- und Wasserspiellandschaft würde den Brockenort auch im Sommer als Ziel für Familien weiter aufwerten.
Der Bau der Seilbahn würde den von Beginn an vorgesehenen Abschluss eines Prozesses markieren, in dessen Rahmen bereits zahlreiche Infrastruktur-Maßnahmen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von über 40 Millionen Euro zur Entwicklung des Tourismus in Schierke umgesetzt wurden. Dazu zählen der Bau einer neuen Erschließungsstraße mit zwei neuen Brücken, das 2014 fertiggestellte Parkhaus "Winterbergtor", die Fußgänger-brücke von dort in den Ortskern und auch das für knapp 9 Millionen Euro gebaute Ende 2018 eröffnete Eisstadion "Schierker Feuerstein-Arena". Die Stadt Wernigerode hatte diesen Prozess nach der 2009 erfolgten Eingemeindung Schierkes auf den Weg gebracht, um den Ort wieder aufwachen zu lassen und die Region zu stärken und konkurrenzfähig zu machen, verbunden mit dem Ziel so auch den starken Bevölkerungsrückgang im höchstgelegenen Dorf Sachsen-Anhalts stoppen zu können.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Private Investoren haben hochwertige Luxus Ferienhäuser mit insgesamt 90 Betten gebaut, neben dem Hildesheimer Unternehmer Gerhard Bürger, der am Winterberg gut 20 Millionen Euro in Seilbahn, Gastronomie und weitere Angebote investieren will, sind auch weitere Investoren auf Schierke aufmerksam geworden. Nach Jahren des Niedergangs und zahlreichen Betriebsschließungen wächst das Bettenangebot wieder und mit ihm die Wettbewerbsfähigkeit des Brockenortes, denn was neu hinzukommt, zählt ausnahmslos zur gehobenen Kategorie. Neuestes Beispiel für den touristischen Aufbruch im Ort sind die Bergwaldlofts, neun Ferienwohnungen, die derzeit an der Alten Dorfstraße entstehen und im Herbst bezugsfertig sein sollen. "Es ist deutlich spürbar, dass es eine Belebung im Ort gibt", sagt Andreas Meling, im Wernigeröder Rathaus zuständig für die Entwicklung des Ortsteils.
Unweit der Bergwaldlofts eröffnete im Dezember 2017 das Schierke-Harzresort, das in 36 teils mit eigener Sauna ausgestatteten Ferienhäusern rund 180 Betten bietet. Darüber hinaus verfügt es mit dem Heinrich's über eine Gastronomie mit 60 Plätzen und einen Kinderspielplatz. Insgesamt wurden 13 Millionen Euro investiert und rund 20 Arbeitsplätze geschaffen. Die Auslastung lag im ersten Jahr bei 56 Prozent, ein Wert mit dem Frank Wodsack, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, sehr zufrieden ist. "Wenn die Seilbahn kommt, werden wir das sicher noch steigern können", riskiert Wodsack eine Prognose.
Diese Einschätzung teilt auch Seilbahninvestor Gerhard Bürger, der nicht nur am Harzresort beteiligt sondern auch neuer Eigentümer des Hotels Bodeblick ist. Er hat die Gründerzeitvilla von Grund auf modernisieren lassen. Zehn Zimmer, zwei Studios und eine Ferienwohnung sind jetzt im Angebot, ebenso wie ein Tagungsraum eine Lounge und ein Restaurant. Seit Dezember 2018 leiten Daniel und Claudia Rajn, die zuvor zehn Jahre die Wurmberg-Alm auf Niedersachsens höchstem Berg geführt hatten, den Betrieb als Pächter. Die momentane Aufbruchsstimmung in Schierke erinnert den Hotelier Rajn an Braunlage, das sich "nach der Modernisierung des Skigebiets am Wurmberg rasant entwickelt hat".
Auf einen ähnlichen Effekt setzen wohl auch noch weitere Akteure. So plant die Arborea Hotel und Resorts GmbH in Schierke ein Lifestyle-Hotel mit 110 Zimmern und 220 Betten. "Wir haben Schierke als Standort ausgewählt, weil wir an den Harz glauben. Zudem ist der Naturbezug mir außerordentlich wichtig, denn das ist ja das Kernkonzept und der Leitgedanke von ARBOREA und hier bietet der Harz und Schierke eine Vielzahl von Möglichkeiten des Natur-Erlebens. Um diese zu bewahren, werden wir auch beim neuen Projekt auf Nachhaltigkeit beim Bau, aber auch später im Hotel achten", so Johann Kerkhofs, Geschäftsführender Gesellschafter der ARBOREA Hotels und Resorts. Das Haus soll Vier-Sterne-Standard (ohne DEHOGA Klassifizierung) und einen 2.500 Quadratmeter großen Wellness-Bereich bieten und setzt auf aktuelle Trends wie Natursport, Nachhaltigkeit und Design. Die Eröffnung wird für Herbst 2022 anvisiert.
Ein Mountainbiker-Hotel mit 18 Appartements und Pool möchte Investor Heiko Mannel auf dem Gelände des "Haus Wedel" und des früheren Schierker Bauhofs errichten.
Außerdem gibt es Pläne für ein Sporthotel mit 130 Zimmern und 20 Ferienwohnungen im Ortszentrum von Schierke.
Während der Realisierung der in der Ortslage geplanten Beherbergungsangebote kaum noch etwas im Wege stehen dürfte, hat die Seilbahn zum Winterberg hingegen noch einige Hürden zu nehmen. Neben der nunmehr erfolgten Zustimmung des Stadtrates bedarf es nämlich unter anderem auch noch eines positiven Bescheids im Rahmen des Raumordnungsverfahrens. Der ist keineswegs sicher, denn obwohl die Fläche auf der die Seilbahn entstehen soll 2001 explizit zum Zwecke der Schaffung einer solchen Anbindung an den Wurmberg und seinerzeit im Konsens mit dem organisierten Naturschutz aus dem Nationalpark Harz herausgelöst wurde (wofür diesem an anderer Stelle mehr als das 40-fache dieser Flächen hinzugefügt wurde), lehnt die grüne Umweltministerin Claudia Dalbert das Projekt nach wie vor ab.
In Schierke ist man enttäuscht darüber, dass Verlässlichkeit in der Politik offenbar nichts mehr gilt, so Ortsbürgermeistern Christiane Hopstock: "Man hat dem Ort damals beim Flächentausch eine Entwicklungsperspektive versprochen und will sich jetzt an nichts mehr erinnern? Wir haben nun mit einem Investor diese einmalige Gelegenheit, die nicht mehr so schnell wieder kommt. Die müssen nur mal die alten Beschlüsse lesen, dann wissen alle Beteiligten wieder, was schon lange Konsens war."
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